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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2
Autoren: Émile Zola
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Fez und ohne seinen Erzieher; die Herzogin de Rozan in ihrer einsitzigen Kutsche, mit weißgepuderten Lakaien; der Graf de Chibray im Dogcart6; Herr Simpson in einem Vierspänner allerschönster Ausstattung; ferner die gesamte amerikanische Kolonie. Zum Schluß zwei Mitglieder der Akademie in Droschken.
    Die vordersten Wagen lösten sich jetzt, und bald begann die ganze Reihe langsam dahinzurollen. Es war wie ein Erwachen. Tausend Lichter fingen an zu tanzen, plötzliche Blitze kreuzten sich in den Rädern, Funken sprühten aus dem Zaumzeug, wenn sich die Pferde schüttelten. Das Funkeln der Geschirre und Räder, das Aufflammen der lackierten Wagenteile, darin die rote Glut der untergehenden Sonne glomm, die lebhaften Farbtöne der glänzenden Livreen, die sich vom Himmel abhoben, und der reichen Toiletten, die aus den Wagenschlägen quollen, all das wurde davongetragen in einem dumpfen, anhaltenden Rollen, das der Schritt der Gespanne rhythmisch unterbrach. Und dieser Zug bewegte sich voran unter den gleichen Geräuschen, den gleichen Lichtern, unaufhörlich und im gleichen Strom, als hätten die ersten Wagen alle übrigen nach sich gezogen.
    Renée hatte dem leichten Stoß, mit dem die Kalesche sich wieder in Bewegung setzte, nachgegeben; sie hatte das Lorgnon sinken lassen und sich abermals tief in die Wagenkissen zurückgelehnt. Fröstelnd zog sie einen Zipfel des Bärenpelzes an sich, der seine Decke seidigen Schnees im Wagen ausbreitete. Ihre behandschuhten Hände verloren sich in der Weichheit des langhaarigen, lockigen Fells. Jetzt kam Nordwind auf. Der laue Oktobernachmittag, der dem Bois de Boulogne einen neuen Frühling gebracht und die Damen der großen Welt im offenen Wagen ins Freie gelockt hatte, drohte nun in jäher Abendkühle zu enden.
    Einen Augenblick verharrte die junge Frau zusammengekauert, genoß wieder die Wärme ihrer Wagendecke und ließ sich wohlig einwiegen vom Geräusch der vielen Räder, die vor ihr herrollten. Dann wandte sie sich zu Maxime, dessen Blicke in aller Gemütsruhe die Frauen entkleideten, die in den benachbarten Kupees und Landauern prangten.
    »Sag doch«, fragte sie, »findest du diese Laure d’Aurigny wirklich hübsch? Du hast ja neulich eine Lobrede auf die gehalten, als der Verkauf ihrer Diamanten bekanntgegeben wurde! Hast du übrigens den Halsschmuck und die Aigrette7 gesehen, die mir dein Vater dort gekauft hat?«
    »Gewiß, er tut manches«, sagte Maxime mit einem boshaften Lachen, ohne auf ihre Frage zu antworten. »Er findet Mittel und Wege, Laures Schulden zu bezahlen und seiner Frau Diamanten zu schenken.«
    Die junge Frau bewegte leicht die Schultern.
    »Du Nichtsnutz!« murmelte sie lächelnd.
    Doch der junge Mann hatte sich vorgebeugt und verfolgte mit den Blicken eine Dame, deren grünes Gewand ihn interessierte. Renée hatte den Kopf wieder angelehnt und schaute aus halbgeschlossenen Augen lässig nach beiden Seiten der Allee, ohne wirklich etwas zu sehen. Rechts glitten still Gebüsche und niedriger Wald mit rötlichem Laub und dünnem Astwerk vorüber; zuweilen galoppierten auf dem Reitweg Herren mit schlanker Taille vorbei, und ihre Tiere wirbelten Wölkchen feinen Sandes auf. Links, am Fuß der schmalen, abschüssigen Wiesen, die von Blumenrabatten und Baumgruppen unterbrochen waren, schlief in kristallener Reinheit der See, ohne jeden Schaum und als hätten die Gärtner seine Ufer säuberlich mit dem Spaten abgestochen. Und jenseits dieses klaren Spiegels reckten die beiden Inseln, zwischen denen die Brücke, die sie verbindet, jetzt einen grauen Strich bildete, ihre reizenden Uferklippen empor und reihten vor dem blassen Himmel gleich Fransen geschickt am Horizont drapierter Vorhänge die kulissenhaften Zeilen ihrer Tannen auf, ihrer Bäume mit bleibendem Laub, dessen schwärzliches Grün das Wasser widerspiegelte. Dieser Naturwinkel, diese Theaterdekoration, die wie frisch gemalt aussah, schwamm in leichtem Schatten, in bläulichem Dunst, der der Ferne einen erlesenen Reiz verlieh, eine Atmosphäre entzückender Unwirklichkeit. Das Inselschlößchen am anderen Ufer glänzte wie ein neues Spielzeug, das erst gestern lackiert worden war. Und diese Bänder von gelbem Sand, diese schmalen Gartenwege, die sich durch die Wiesen schlängeln und, von künstlichen gußeisernen Zweigen eingefaßt, um den See laufen, hoben sich zu dieser späten Stunde noch merkwürdiger vom zärtlichen Grün des Wassers und des Rasens ab.
    An die kunstvolle Anmut dieser
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