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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2
Autoren: Émile Zola
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blinzelten in diesem Meer jähen Lichts, was ihr das Zögernde einer Kurzsichtigkeit gab, das an ihr sehr reizvoll wirkte.
    Als die kleine Marquise ihrer ansichtig wurde, erhob sie sich lebhaft, eilte auf sie zu, ergriff ihre beiden Hände, musterte sie von Kopf bis Fuß und flötete leise: »Ach, wie schön Sie sind, wie schön …«
    Unterdessen war eine allgemeine Bewegung entstanden, alle Gäste kamen herbei, um »die schöne Frau Saccard«, wie man Renée in der Gesellschaft nannte, zu begrüßen. Sie reichte fast allen Herren die Hand. Dann umarmte sie Christine und erkundigte sich nach dem Befinden ihres Vaters, der nie in das Palais am Parc Monceau kam. Und so stand sie, lächelnd, nochmals mit einem Kopfneigen grüßend, die Arme sanft gerundet, vor dem Kreis der Damen, die neugierig den Halsschmuck und die Aigrette betrachteten.
    Die blonde Frau Haffner vermochte der Versuchung nicht zu widerstehen; sie trat näher, musterte lange den Schmuck und sagte endlich in neidischem Ton: »Nicht wahr, das ist doch jenes Halsband und die Aigrette …?«
    Renée nickte. Nun ergingen sich alle Frauen in Lobeserhebungen; die Schmuckstücke seien hinreißend, unvergleichlich; dann kamen sie mit neiderfüllter Bewunderung auf die Versteigerung bei Laure d’Aurigny zu sprechen, wo Saccard den Schmuck für seine Frau erstanden hatte; sie beklagten sich darüber, daß »diese Dirnen« die schönsten Sachen an sich rissen, bald werde es für anständige Frauen keine Diamanten mehr geben. Und aus all ihren Klagen hörte man die Sehnsucht heraus, auf der eigenen nackten Haut eines jener Kleinodien zu fühlen, das ganz Paris am Halse irgendeiner berühmten Kokotte gesehen hatte und das ihnen vielleicht die schlüpfrigen Alkovengeschichten ins Ohr flüstern würde, bei denen die Träume der Damen von Welt so wohlgefällig verweilten. Sie kannten die hohen Preise, sie sprachen von einem wunderbaren Kaschmir, von herrlichen Spitzen. Die Aigrette hatte fünfzehntausend Francs gekostet, der Halsschmuck fünfzigtausend. Frau d’Espanet war ganz berauscht von diesen Zahlen. Sie suchte Saccard und rief ihm zu: »Kommen Sie doch her und lassen Sie sich beglückwünschen! Das nenne ich einen guten Ehemann!«
    Aristide Saccard kam herbei, verbeugte sich, spielte den Bescheidenen. Doch sein grinsendes Gesicht verriet lebhafte Befriedigung. Und aus dem Augenwinkel sah er zu den beiden Bauunternehmern hinüber, den reichgewordenen Maurermeistern, die sich einige Schritte entfernt aufgepflanzt hatten und mit sichtlichem Respekt die Beträge von fünfzehn und fünfzigtausend Francs zur Kenntnis nahmen.
    In diesem Augenblick stützte sich Maxime, der wunderbar elegant in seinem eng anliegenden Frack, soeben eingetreten war, vertraulich auf die Schulter seines Vaters und sprach leise zu ihm wie zu einem Kameraden, wobei er ihn mit einem Blick auf die beiden Maurer aufmerksam machte. Saccard lächelte verhalten wie ein Schauspieler, dem Beifall gespendet wird.
    Es kamen noch einige Gäste. Jetzt mochten mindestens dreißig Personen im Salon sein. Die Unterhaltung belebte sich wieder: in Augenblicken der Stille hörte man hinter den Wänden das leichte Klirren von Porzellan und Silberzeug. Endlich öffnete Baptiste eine Flügeltür und sprach voll Würde die geheiligten Worte: »Gnädige Frau, es ist angerichtet.«
    Darauf begann langsam der Einzug in den Speisesaal. Saccard bot der kleinen Marquise den Arm; Renée nahm den eines alten Herrn, des Senators Baron Gouraud, vor dem alle Welt in Ehrfurcht erstarb; Maxime mußte Louise de Mareuil den Arm reichen; dann kamen die übrigen Gäste in langem Zug, und ganz zum Schluß die beiden Bauunternehmer mit baumelnden Armen.
    Der Speisesaal war ein außerordentlich großer, viereckiger Raum, dessen glänzendes, dunkelgebeiztes, mit schmalen Goldleisten verziertes Getäfel aus Birnbaum bis zu Manneshöhe reichte. Die vier großen Wandflächen, offenbar für gemalte Stilleben vorgesehen, waren noch leer, weil der Hauseigentümer zweifellos vor einer lediglich der Kunst geltenden Ausgabe zurückschreckte. Man hatte sich mit einer tiefgrünen Samtbespannung begnügt. Die Möbel, Vorhänge und Portieren vom gleichen Stoff gaben dem Zimmer einen nüchternen, ernsten Charakter, darauf berechnet, allen Lichterglanz nur der Tafel zukommen zu lassen.
    Und wirklich glich zu dieser Stunde die Tafel mitten auf dem großen dunkelgetönten Perserteppich, der das Geräusch der Schritte dämpfte, und umgeben von
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