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Die Bettelmoenche aus Atlantis

Titel: Die Bettelmoenche aus Atlantis
Autoren: Stefan Wolf
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der Uniformierte nickte mit grimmiger Miene.
    »Die Fälle häufen sich«, sagte er. »Es werden immer mehr. Leider, meine Dame, kann ich Ihnen nicht viel Hoffnung machen. Diese Bettelmönche suchen sich hilflose Opfer, die später nicht in der Lage sind, die Täter zu identifizieren. Außerdem sieht von den Bettelmönchen einer aus wie der andere. Ein und dieselbe Kleidung und kahl geschorene Köpfe machen Unterscheidungen schwer. Ihren Geldbeutel haben die längst weggeworfen. Natürlich ohne das Geld.«
    Die alte Dame bedankte sich bei Tarzan. Fünf Mark wollte sie ihm schenken. Erst als sie vergeblich in ihrer Handtasche kramte, fiel ihr ein, dass das Geld ja gestohlen war.
    Tarzan freilich hätte ohnehin nichts angenommen – und war schon hinter der nächsten Biegung des GRABEN verschwunden.

3. Im letzten Moment
    Fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit traf Gaby bei der Bärmannschen Buchhandlung ein.
    Sie hatte ihr Klapprad durch das Menschengewimmel der Fußgängerzone geschoben und sorgfältig darauf geachtet, dass niemand in den Einkaufskorb griff, der am Lenker hing.
    Der Korb enthielt ihr blauseidenes Halstuch, den Schlüsselbund, ein eingewickeltes Stück selbst gebackenen Kuchens, den Tarzan kosten sollte, und den Geldbeutel mit 50 Mark. Dieser Betrag aus der Klassenkasse stand für Bäumlers Geburtstagsgeschenk zur Verfügung.
    Bei der Buchhandlung angekommen, sah Gaby sich die Auslage an.
    Drei große Schaufenster zeigten Bücher, Bücher, Bücher – und Gaby hatte auch schon einen Bildband über Pferde entdeckt.
    Wo Tarzan nur blieb!
    Sie lehnte sich an ihr Rad und beobachtete das Getümmel der Fußgängerzone. So viele Menschen auf einmal! Aber keiner achtete auf den Nachbarn. Beachtung fanden eigentlich nur besonders hübsche Frauen. Doch auch das dauerte nur so lange, wie man mit nach hinten gedrehtem Kopf laufen kann – ohne gegen ein Hindernis zu prallen.
    Gaby beobachtete einen dicken Mann, der sich solchermaßen benahm. Indem er mit verdrehtem Kopf einer hochbeinigen Blondine nachstarrte, marschierte er weiter – in entgegengesetzte Richtung. Die steinerne Säule vor einer Passage hielt ihn auf.
    Dort stand er dann minutenlang. Mit beiden Händen hielt er sich den brummenden Schädel.
    Jetzt könnte er aber kommen!, dachte sie. Normalerweise war sie bei Tarzan Pünktlichkeit gewöhnt.
    Einige Halbwüchsige streunten vorbei. Sie hatten sich verwegen gekleidet und rauchten. Sie starrten Gaby an undeiner sagte laut: »So eine süße Puppe! Wollen wir sie einladen?«
    Gaby wandte sich ab und die forschen Kavaliere verstanden das richtig und zogen weiter.
    Gegen eine Säule stießen sie nicht, obschon Gabys Anblick Grund genug war, sich umzudrehen.
    Sie trug ihre neuen Jeans und einen blauen Pulli. Die nackten Füße steckten in weißen Tennisschuhen. Ihre blonden Haare hatte sie noch vor dem Mittagessen gewaschen. Sie leuchteten jetzt wie gesponnenes Gold.
    Während sie wartete, dachte sie ärgerlich: Wie bestellt und nicht abgeholt. Sie pustete gegen ihre Ponyfransen. Der kann was erleben!, nahm sie sich vor.
    In diesem Moment sah sie die Bettelmönche.
    Sie waren zu zweit. Beide trugen hellblaue Kutten, darunter gleichfarbene Pluderhosen. Jedem hing ein Leinenbeutel über der Schulter.
    Sie murmelten fortgesetzt und kamen langsam durch die Menge. Was sie murmelten, konnte Gaby noch nicht verstehen. Aber gehört hatte sie es schon oft. Es waren immer dieselben Worte: »Eine Spende für den göttlichen Erlöser der Sünder. Gebt eine Spende! Eine Spende für den...«
    Die bettelnde Hand wurde jedem hingestreckt, der ihnen in den Weg kam. Aber nicht jeder gab.
    Irgendwann, dachte Gaby, waren auch die beiden zu Hause bei ihren Eltern. Aber jetzt...
    Sie mochten 17 Jahre alt sein, oder älter. Die Köpfe waren kahlrasiert, aber das lag schon lange zurück – oder hatte sich oft wiederholt. Denn selbst die Kopfhaut war inzwischen gebräunt. Die Gesichter hatten sie mit roten Quer- und Längsstrichen verziert.
    Weshalb, wusste vermutlich nur Chedli Hamouda, der »göttliche Erlöser der Sünder«.
    Sie näherten sich.
    Gaby fing einen Blick des Größeren auf.
    Dessen Gesicht war breit und grob, die Haut narbig, als hätte er die Blattern gehabt.
    Für einen Moment unterbrach der Kerl sein Geleiere. Er schien seinem Bruder im Geiste was zuzuflüstern. Auch der sah Gaby an. Dann kamen beide auf sie zu.
     
    Der Zweite hatte ein flaches Gesicht und hervorquellende Glotzaugen. Er sah böse aus –
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