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Die Bettelmoenche aus Atlantis

Titel: Die Bettelmoenche aus Atlantis
Autoren: Stefan Wolf
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erforderte Opfer von beiden: unter anderem auch, dass sie sich während der Schulzeit nicht sehen konnten. Denn sein Heimatort lag weit entfernt und das teure Fahrgeld wurde anderweitig benötigt.
    Tarzan radelte durch den frühen Nachmittag. Die Sonne schien. Einige Schönwetterwölkchen segelten am Himmel.
    Zwei Autos, in denen Lehrer saßen, überholten ihn. Dann erreichte er die Stadt. Auf kürzestem Wege fuhr er in Richtung Altstadt, wo man mehrere Straßen für Autos gesperrt hatte.

     

    Die Fußgängerzone – auch »gute Stube der Stadt« genannt – erfreute sich großer Beliebtheit.Es gab nichts, was man dort nicht hätte kaufen können. Museen und historische Gebäude befanden sich in dem Viertel. Zahlreiche Cafés und Restaurants sorgten für gemütliche Einkehr.
    Tarzan kannte eine Abkürzung, um noch rascher zur Bärmannschen Buchhandlung zu kommen: eine schmale Gasse, die sich zwischen hohen Häusern schlängelte und schon seit Jahrhunderten existierte. Sie hieß der »Graben«, war zu jeder Tageszeit schattig und von modrigem Geruch.
    Wegen der hochbetagten Häuser wurde sie meistens noch von Baugerüsten verengt, denn irgendwo musste immer was erneuert oder ausgebessert werden.
    Autos hätten gar nicht hindurchgepasst. Radfahrer mussten ihren Drahtesel schieben. Und die wenigen Fußgänger, die man hier antraf, wurden auf Schritt und Tritt vor den »Bauarbeiten« hoch über ihnen gewarnt – durch eindrucksvolle Schilder, auf die aber keiner mehr achtete.
    Tarzan war nicht abgestiegen, sondern riskierte die waghalsige Fahrt. Aber hinter der nächsten Hausecke trat er hart auf den Rücktritt.
    Eine ältere Dame stand im Weg. Er wollte an ihr vorbei, als er sah, dass sie weinte. Schluchzend presste sie ihr Taschentuch an den Mund.
    Verwirrt hielt er an.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
    »Diese gemeinen Menschen!«, schluchzte sie.
    Ob das der Menschheit allgemein oder einigen bestimmten Vertretern galt, blieb zunächst unklar.
    Klar hingegen war Tarzan, dass er eine sehr alte Dame vor sich hatte. Ihr 80. Geburtstag lag sicherlich nahe. Sie sah vornehm aus, hatte ein feines, aristokratisches Gesicht und silbergraues Haar. Dass sie gebrechlich wirkte, wurde durch ihren Krückstock noch unterstrichen. Ihre Kleidung war bescheiden.
    »Hat man Ihnen was getan?«, erkundigte er sich.
    »Bestohlen hat man mich. Mein ganzes Geld war im Portmonee. Eine Mark wollte ich ihnen schenken. Aber sie haben mir das Portmonee aus der Hand gerissen.«
    »Das ist Raub.«
    »Für die nicht. Sie hatten die Frechheit zu sagen, das wäre eine angemessene Spende für den göttlichen Erlöser der Sünder.«
    »Für... Ach so! Wie sahen die Diebe aus?«
    »Es waren Bettelmönche.«
    Tarzan spitzte die Lippen, pfiff aber nicht. Das hätte die alte Dame noch mehr erschreckt.
    »Sie können sie beschreiben?«
    »Leider nicht, mein Junge. Meine Augen sind so schwach. Und ich hatte meine Brille nicht auf. Ich weiß nur, dass es zwei waren. An die Gesichter... Nein, an die kann ich mich nicht erinnern. Aber sie trugen diese himmelblauen Mönchskutten und himmelblaue Hosen. Und die Köpfe... Ja, die waren kahl geschoren.«
    JÜNGER AUS ATLANTIS!, dachte Tarzan. Das passt ja wie die Faust aufs Auge. Was für edle Menschen das sind! Berauben eine Greisin. Jetzt erfahre ich also aus erster Hand, dass alles stimmt, was man über die JAA-Sekte sagt. Die betteln nicht nur, die rauben auch – wenn das Risiko gering ist. Sich an einer so hilflosen Person zu vergreifen – Pfui, Teufel!
    »...bekomme doch nur eine kleine Rente«, jammerte die Greisin. »Mein ganzes Geld war im Portmonee. Alles, was mir noch bis Monatsende verbleibt. Fast 200 Mark.«
    »Das tut mir sehr Leid. Schade, dass ich nicht einige Minuten eher hier war. In welche Richtung sind die beiden gegangen?«
    »Zur Fußgängerzone.«
    »Sie sollten auf jeden Fall Anzeige erstatten«, sagte Tarzan. »Ich begleite Sie gern zur Polizei.«
    Er sah ihr an, dass sie Hilfe brauchte. Der Schreck hatte ihr zugesetzt. Er nannte seinen Namen und erfuhr, dass sie Roswitha von Mahrendorf hieß.
    Mit einer Hand schob er sein Rad, mit der anderen stützte er die Greisin. Sie war sehr zittrig und musste mehrfach stehen bleiben.
    Gaby wird bereits warten, dachte er. Aber das hier ist wichtiger.
    Es hätte viel Zeit gekostet, doch der Zufall schickte ihnen einen Polizisten entgegen.
    Tarzan konnte ihm die alte Frau übergeben. Sie berichtete zum zweiten Mal, was ihr widerfahren war; und
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