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Die Betrogenen

Die Betrogenen

Titel: Die Betrogenen
Autoren: Michael Maar
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Bittner deutete ein Augenverdrehen an. Was eben keins war, sondern eine Mischung aus Deutsch und dem Englischen, das sie einfach nicht abschütteln konnte. Oder fände Karl es nicht auch enervierend, wenn jemand von der «Kopie» eines Buches spräche,wenn ein Exemplar gemeint war, oder alles Mögliche «pathetisch» fand? Wenn sie etwas nicht begriff, war es
kriptisch
, das edle Ypsilon hatte sie ganz verbannt. Wenn sie sich «ausgelassen» fühlte, war sie nicht fröhlich, sondern meinte genau das Gegenteil. Bittner seufzte leicht. Und alle drei Monate färbte sie ihr Haar um!
    Aber Karl hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Der Radfahrer, der da hinter der Jasminhecke vorbeifuhr, war das nicht Hagen? Tatsächlich, der Professor persönlich. Der hatte aber zugenommen! Jetzt stieg er ab und schob das Rad. Früher war er noch mit Bittner befreundet gewesen, heute grüßte er nicht einmal mehr – denn sicher hatte er Bittner erkannt, auch wenn der ihm den Rücken zuwandte. Bittners Rücken und Hinterkopf waren immer noch markanter als die meisten Dutzendgesichter. Da setzte sich der Professor wieder schnaufend aufs Rad und verschwand.
    Diese Tochter habe er eigentlich erst richtig kennengelernt, fuhr Bittner fort, als sie mit zweiundzwanzig zurück nach Deutschland gekommen sei. Sie seien dann eine Weile sehr verliebt ineinander gewesen und zärtlich – Bittner verscheuchte eine Wespe, nein, eine der harmlosen Pseudo-Wespen, die sich in letzter Zeit breitmachten –, aber jetzt verbinde ihn eben fast nichts mehr mit ihr.
    Hatte Karl da gerade richtig gehört? Was deutete ihm Bittner da mit einem Gleichmut an, als handle es sich umdas Wetter der letzten Woche oder seine jüngste Venedigfahrt?
    Karl bemühte sich um neutrale Gesichtszüge und stocherte in seinem Salat. Bittner und die Liebe, das war nun allerdings ein Kapitel für sich. Karl war halbwegs im Bilde über Bittners Frauenverschleiß, wenn das häßliche Wort einmal nicht zu vermeiden war. Keine Saison verging, ohne daß eine andere junge Schönheit an seiner Seite erschien, wenn er bei einer Lesung auftrat oder einen Kongreß eröffnete. Sogar eine kurze Affaire mit Karls Chefin sagte man ihm nach. Ob da eine Art von Zwang waltete, von Donjuanismus oder Sucht? Nein, Bittner war eher der Casanova-Typus, der die Frauen ehrte, indem er sie liebte. Und war nicht allein schon die Frage der deutliche Ausweis des Neids – wenn sich Karl doch bitte nichts vormachte?
    Die stille Zufriedenheit, die sie ausstrahlten, diese Don Juans oder Casanovas, mochten sie sonst auch die letzten Laffen sein.
    Ein Laffe war Bittner nun wahrlich nicht, das ganze Gegenteil. Aber wenn es stimmte, was man hörte, gab es nicht viele Töchter seiner Heimat, die er sich vom Leib gehalten hätte.
    Und dann sogar zärtlich mit der eigenen, was immer das bedeuten mochte. Zum Beweis vorurteilsfreiester Grandezza ganz nebenbei, ganz en passant erzählt. AberKarl machte sich nichts vor: bestimmt auch zum Test seiner Unerschütterlichkeit erzählt, mit genauestem Blick auf die Miene, die Karl verziehen würde oder eben nicht.
    Während er seine Salatsauce mit dem letzten Stück Weißbrot auftunkte, auf das sich die im Kies pickenden Spatzen zu früh gefreut hatten, dachte er nach. War das schon für die Biographie souffliert? Karl schob sie seit seiner Zusage bei Gabriel vor sich her, er hatte noch keine Zeile geschrieben. Doch, das mußte es sein: Bittner wollte ihm zeigen, wie großzügig er ihn, wenn er nur endlich anfinge, auch mit intimsten Details versorgen würde, die der Nachwelt sonst wohl für immer verloren gingen; es war das, was neuerdings und schrecklich genug der «Gruß aus der Küche» hieß.
    Und er hatte ja recht, Karl müßte endlich anfangen, er hatte sich nun einmal dazu überreden lassen, mehr von der Wiedenkopf, damals noch seine Agentin, als von Bittner selbst, der sich im Hintergrund gehalten hatte, und jetzt führte kein Weg mehr daran vorbei – genauer, sie lag wohl eben auf seinem Weg, diese Biographie, und er sollte nicht länger versuchen, sich an ihr vorbeizuschlängeln.
    Ob Bittner zufällig ein Photo von ihr habe?
    Nein, leider nicht, jedenfalls kein neues. Ein uraltes könnte er noch bei sich haben.
    Bittner zog seine Brieftasche aus dem Jackett und entnahmihr nach kurzem Kramen ein verblaßtes Photo, das ein etwa siebzehnjähriges blondes, nicht unattraktives Mädchen im Liegestuhl an einem Sandstrand zeigte.
    Wie gesagt, inzwischen seien sie sich fremd
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