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Die Betrogenen

Die Betrogenen

Titel: Die Betrogenen
Autoren: Michael Maar
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geworden, sagte Bittner und hauchte einen Rauchkringel in die Luft. Seit ihrer Scheidung lebe sie in Berlin. Ihren Mann habe sie nach Noten betrogen. Einmal habe sie einen Liebhaber für ein Wochenende zu sich nach Hause genommen, und danach sei es dann aufgeflogen: ihr Mann hatte darüber gestutzt, daß die Wasserhähne im Bad so fest zugeknallt waren. In Berlin hatte sie mit einer Freundin eine Galerie aufgemacht, Tochter eines früher bekannten Malers, beide teilten eine große Wohnung über den Ausstellungsräumen – nicht, was Karl denke, Bittner lächelte versonnen –, es war nur praktischer, weil es Miete sparte, und er konnte sie beim besten Willen nicht mehr unterstützen. Ihre nervtötenden Angewohnheiten hatte sie beibehalten. War er ein schlechter Vater? Karl werde sie ja wohl nie kennenlernen. Übrigens war sie in seinem Alter.
    Als die Kellnerin den Kaffee brachte, verlangte Bittner die Rechnung, «getrennt, bitte». In der Viertelstunde, die ihm noch blieb, rühmte er ihren Verleger, den würden sie noch lange vermissen. Das war ein großer und großzügiger Mann gewesen, so einer käme nie wieder, wenn er bei Kleinigkeiten auch geizig sein konnte. Karl fragte sich, ob es Bittner bisweilen selber war? Jetzt gerade hätte er ihnzum Beispiel einladen können, Gabriel hätte es jedenfalls getan – aber der fuhr auch einen Jaguar, den warf der Verlag dann doch noch ab. Bei Karls letztem Besuch war er gerade neu vom Werk eingetroffen, Gabriel hatte auf der Jungfernfahrt darin mehr gelegen als gesessen, weil er die elektronische Sitzsteuerung noch nicht heraushatte.
    Doch jetzt mußte Bittner sich wirklich verabschieden und überließ Karl, der noch sitzen blieb, nach einem herzlichen Händedruck seinen Gedanken.
    Eine Schwalbe schoß hoch genug durch den Himmel, um Sorgen über eine mögliche Wettereintrübung zu zerstreuen. Wieder flatterten die Enten auf. Wer die schlichten bräunlichen waren und wer die smaragdgrün schillernden, hatte Karl sich inzwischen eingeprägt.
    Was Bittner an
Così fan tutte
fand, begriff er noch immer nicht. Die Musik mochte er rühmen, aber wie konnte man die Farce dieses Plots ernstnehmen? Ein Turban, ein Bärtchen, und schon erkannten die Damen ihre Galane nicht mehr.
    Am Thekenvorbau hatten sie mit dem Grillen begonnen, der Geruch von Bratwürsten zog in Schwaden zu seinem Tisch. Sollte er sich jetzt eine gönnen, mit einem frisch gezapften Bier? Die Ruderboote schaukelten im Fluß, sie hatten Feierabend, anders als die Mücken, die ihren Diensteifer noch erhöhten.
    Er dachte an das Photo von Bittners Tochter, die eineSonnenbrille getragen hatte. Ganz hübsch, soweit man das erkennen konnte.
    Karl nahm einen Schluck von seinem lauwarmen Kaffee. Wo hatte Bittner das Leben in dieses Bild gefaßt, war das in den
Masken des Todes
? Ein freier Acker Zeit, auf den sich dann die Krähen setzen. Erst eine, dann drei, dann die ganze Schar …
    Ein unnatürlich blasser Marienkäfer war auf seine Stuhllehne gekrabbelt. Karl fragte sich nicht zum ersten Mal, warum man einen Marienkäfer nie zerquetschen würde, wie man es mit jedem andern Insekt tat. Wegen der Rundung und Färbung, und weil seine Flügeldecken das unappetitliche Innere verbargen? Weil die Schale Härte ausstrahlte und das Zerquetschen mit Mühe verbunden wäre? Auf welche Größe müßte er anschwellen, bis er das Niedliche verlor und der Wunsch nach Flucht oder Vernichtung aufkam?

III.

    D a hat es ja doch noch geklappt!»
    Karl hatte es geschafft. Die blonde Frau, die in der Haustür stand und ihn anlächelte, bat ihn, ihr nach oben zu folgen.
    Sie hatte sich stark verändert seit dem Strandbesuch, es waren auch zwei Jahrzehnte ins Land gegangen. Die Statur, grazil und knapp unterhalb der Mittelgröße, war die ihres Vaters, dem sie sonst wenig glich. Der Hauch eines Damenbärtchens, den er im Flurlicht erkannte, ließ auf erfreuliche hormonelle Verhältnisse schließen, wie Bittners Andeutungen sie ja schon nahegelegt hatten.
    «Sie also sind Karl Lorentz? Und ich bin die Nora. Kommen Sie doch mit hoch.» Karl entging nicht, daß ihre schmalen Brüste, die sich unter dem schwarzen Kleid abzeichneten, durch keinerlei Körbchen gestützt wurden. Auch den leicht vorgewölbten Bauch übersah er nicht, der ihn an Statuen ägyptischer Prinzessinnen erinnerte. Eigentlich glich sie ihm überhaupt nicht, fand er auf den zweiten Blick, als sie sich im Treppenhaus nach ihm umdrehte.
    Kurioserweise hatte er sich nie nach
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