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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin
Autoren: Susanne Kliem
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Eingangshalle des Hotels mit ihren hohen steinernen Säulen, den Blumenarrangements und den mit schwarzem Samt bezogenen Sitzgruppen faszinierte mich jedes Mal aufs Neue. Hier war es kühl und gleichzeitig behaglich, eine Welt für sich, abgeschieden vom Treiben auf dem Bebelplatz und den Touristenströmen Unter den Linden. Ein Hotelpage nahm uns in Empfang, und ich erklärte ihm, dass wir Miranda Glass und ihren Agenten Ralf Siebert im Opera Court treffen würden. Er führte Michaela und mich in den Raum mit eleganten Sitzgruppen, der den Hotelgästen als Aufenthaltsraum und Bibliothek offenstand, der aber auch für Veranstaltungen genutzt wurde. In einer Ecke stand ein schwarzer Flügel. Mirandas Agent hatte von sich aus vorgeschlagen, dass sie uns etwas vortrug. Er wusste, dass es nicht leicht sein würde, mich zu überzeugen.
    Michaela und ich setzten uns.
    Â»Hast du in der Presse noch mal was über sie gelesen?«, fragte ich. Michaela war immer auf dem Laufenden, was die Frauenzeitschriften und Boulevardblätter berichteten.
    Â»Zum Glück nichts. Nach dem Konzert in München wurde sie ja böse verrissen. Diese Drogengerüchte. Seitdem ist sie wie vom Erdboden verschluckt.« Michaela machte es sich in dem ausladenden Ledersessel bequem. »Egal, wie sie heute drauf ist, du hast keine Garantie, dass sie nicht wieder zusammenklappt. Und was machen wir dann?«
    Â»Sie hat seit sechs Monaten kein Engagement gehabt. Sie wird alles dafür tun, damit die Sache gut läuft«, sagte ich. »Ich möchte ihr eine Chance geben.«
    Ich sah auf die Uhr. Es war fünf Minuten nach der verabredeten Zeit.
    Â»Sie hat wirklich Nerven, dich warten zu lassen«, meinte Michaela. »In ihrer Situation …«
    Wie aufs Stichwort erschien Ralf Siebert in der Tür. »Geht sofort los!« Er gab dem Hotelpagen ein Zeichen, die Verbindungstür zur Halle zu schließen. Ein schlaksiger junger Mann kam herein und setzte sich hinter den Flügel. Gleich nach ihm erschien Miranda Glass. Ich hielt kurz die Luft an. Sie war noch immer eine elegante Erscheinung in ihrem blauen, schmal geschnittenen Seidenkleid, aber ihr Gesicht wirkte grau und leicht aufgedunsen. Sie trug eine Sonnenbrille.
    Ich stand auf, ging zu ihr und reichte ihr die Hand. »Janne Amelung von Alfa.Sat. Wir haben uns vor zwei Jahren beim Smiling Kids Day kennengelernt, das ist meine Mitarbeiterin, Frau Meiffert.«
    Sie nickte, ließ jedoch nicht erkennen, ob sie mich oder Michaela wiedererkannte.
    Â»Vielen Dank, dass Sie bereit sind, etwas für uns zu singen.«
    Â»Es ist mir eine Freude. Ich würde sehr gern wieder bei der Aftershowparty auftreten.«
    Sie nahm die Sonnenbrille ab. Ihre Augen blickten teilnahmslos. Sie ging zum Flügel und nickte dem Pianisten zu. Er schlug die ersten Takte an, und sie begann zu singen. »He left no time to regret …« Ausgerechnet Back to black , einen Song von Amy Winehouse, hatte Miranda gewählt. Ich versuchte, nicht an Amys tragisches Ende zu denken. Mirandas Stimme klang dunkler, rauchiger, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Verbindungstür zur Halle öffnete sich, und Vanessa Ott kam herein. Michaela und ich sahen sie überrascht an. Sie blieb an der Tür stehen, bis der letzte Ton ausklang. Dann lächelte sie Miranda und Ralf Siebert zu und kam auf mich zu. Ich stand auf. »Brauchen Sie mich im Büro? Wir sind gleich fertig.«
    Â»Nein, keine Eile.« Leise fügte sie hinzu: »Ich bin ein Fan von Frau Glass. Und als Sie vorhin sagten, dass Sie sie hier treffen, war ich einfach zu neugierig … Lassen Sie sich bitte nicht stören.«
    Â»Miranda?« Ralf Siebert runzelte die Stirn. »Du wolltest doch One Moment in Time von Whitney Houston singen, nicht diese depressiven Sachen.«
    Â»Mir war nicht danach«, entgegnete Miranda.
    Ich spürte Michaelas Blick. »Zu riskant. Vergiss sie«, hieß das.
    Â»Ich schlage vor, du singst noch einen zweiten Song.« Ralf Sieberts Munterkeit wirkte aufgesetzt, es fehlte nur noch, dass er in die Hände klatschte.
    Miranda legte eine Hand an ihren Hals. »Ralf, ich glaube, es wäre besser, wenn … Meine Stimmbänder sind ein wenig angeschlagen.« Sie wandte sich zu mir, in ihren Augen sah ich die Qual, die es ihr bereitete, vorzusingen, als wäre sie eine Musikschülerin. »Es sei denn, Sie möchten noch etwas hören
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