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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin
Autoren: Walden Conny
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der Stirn versah und irgendwo ablegte. Genau das geschah mit Gunter Spießlauf, der in Danzig auf Grund seiner guten Beziehungen bald die Freilassung erwirkte, sich ihrer aber kaum zwei Tage erfreuen konnte. Er verschwand spurlos, und als Johannes von Werndorf später davon hörte, glaubte er schon, dass dem Kaufmann die Flucht
in ferne Lande gelungen war – bis sein Leichnam in einer Abortgrube aufgefunden wurde.
    Erich und Barbara fuhren mit der von ihrem Vater angeheuerten Kogge zurück nach Riga.
    Â»Ich hoffe, dass Ihr es mir hoch anrechnet, dass ich das Opfer auf mich nehme, ein zweites Mal mit dem Schiff über unsicheres Wasser zu reisen«, sagte Erich irgendwann während der Fahrt, die vollkommen ruhig und ohne Zwischenfälle verlief, zu ihr.
    Barbara stand allerdings nicht der Sinn nach solchen Scherzen. Sie wirkte wie tief in traurigen Gedanken versunken, obwohl sich doch eigentlich alles zum Besseren gewendet zu haben schien. »Habt Ihr schon entschieden, was Ihr in Zukunft anfangt?«, fragte sie ihn.
    Â»Ich denke, ich werde mich nach Norden wenden. Reval, Pleskau, Nowgorod … Da wird einer wie ich sein Auskommen schon finden.«
    Â»Und es gibt nichts, was Euch in Riga halten könnte?«
    Â»Man soll mich einen Ritter nennen und keinen Witwenjäger, von dem jeder glaubt, dass er nur des Erwerbs eines Vermögens wegen eine Ehe eingeht und zum Krämer wird!«
    Â»Aber wenn Euch mein Vater schon angeheuert hat, so spricht doch nichts dagegen, dass Ihr diesen Dienst noch etwas verlängert, um Euch in aller Ruhe darüber klar zu werden, was nun werden soll.«
    Â»Ich habe Eurem Vater versprochen, alles zu tun, um Euch zu finden und sicher zurück nach Riga zu bringen. Das werde ich erfüllen.«
    Â»So klammert Ihr Euch mehr an das Ideal Eures Standes, als dass Ihr dem nachgebt, was Euer Herz und Eure Neigung Euch sagen?«
    Â»So wie Ihr es auch tun werdet, wenn Ihr mit einem Kaufmannsspross
die Ehe eingeht und Vermögen sich verbindet – was zweifellos irgendwann geschehen wird!«
    Â 
    Die Kogge legte in Riga an, und schon am Kai empfing sie Thomas Bartelsen mit einer schlimmen Nachricht: Der Bernsteinkönig hatte für immer die Augen geschlossen. Heinrich Heusenbrink hatte von der Rettung seiner Tochter nichts mehr erfahren.
    Zunächst fühlte sich Barbara wie unter Schock. Unendliche Trauer erfüllte sie. Doch als Bartelsen sie ansprach, fasste sie sich wieder. »Ihr werdet jetzt allein das Geschäft führen müssen und Euch dabei auf gute Ratgeber zu verlassen haben. Aber Ihr werdet um Eure Zukunft kämpfen müssen, denn es gibt viele, die jetzt versuchen werden, diesen Augenblick der Schwäche des Hauses Heusenbrink zu nutzen.«
    Â»Es wird keinen Augenblick der Schwäche geben, Bartelsen!«, stellte Barbara klar. »Mag sein, dass mich so mancher in der Kaufmannschaft oder beim Orden schon deswegen gering schätzt, weil ich eine Frau bin – aber sie werden sehen, dass ich das Erbe meines Vaters bewahren werde!« Sie sprach mit grimmiger Entschlossenheit. Den Triumph, dass das Haus Heusenbrink unterging, wollte sie all seinen Feinden nicht gönnen!
    Â»Es mag in diesem Augenblick unpassend sein, aber es gibt bereits erste Anfragen, ob Ihr vielleicht geneigt seid, eine Ehe einzugehen«, gab Bartelsen zu verstehen.
    Barbara sah ihn fassungslos an. Jetzt, nach dem Tod ihres Vaters, war für manche skrupellose Kaufleute noch nicht einmal das Verlöbnis mit Matthias Isenbrandt ein Hindernis, denn dessen Tod und die Ereignisse auf dem Klostergut bei Danzig konnten sich hier in Riga eigentlich noch kaum herumgesprochen haben. Oder doch?

    Sie wandte sich an Erich. »Ihr werdet mich heute nicht allein lassen, so hoffe ich!«, flehte sie. »Nicht an diesem schweren Tag!«
    Â 
    Später saß Barbara am Totenbett ihres Vaters und sah furchtlos in das starre, wächsern wirkende Gesicht des Aufgebahrten. Seine Qual und seine Sorgen waren zu Ende, und Barbara betete zu Gott, dass seine Seele davon erfahre, dass sein Werk weitergeführt werden würde. Von ihr und denen, die nach ihr kommen würden.
    Sie fasste sich an den Bauch. Womöglich hatte sie den Enkel von Heinrich Heusenbrink ja schon in der schamaitischen Wildnis empfangen, und auch wenn sie noch keine Gewissheit hatte, so schienen ihr einige Zeichen darauf hinzudeuten. Und solche Zeichen der Hoffnung brauchte ihre
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