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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bauernschädeln zu kämpfen hatte. Er sprach nicht ihre Sprache, er war zu jung, er verstand nichts von der Landwirtschaft und rief den Tierarzt an, anstatt seiner Kuh selbst einen Abszeß aufzuschneiden, er hielt sich nicht zu einem Schwätzchen nach dem Hausbesuch auf, sondern fuhr sofort weiter, er erklärte keine Krankheit und verstand wenig von derben Witzen … kurzum, die Heidebauern waren sehr unzufrieden mit ihm und holten ihn nur, wenn es ans Sterben ging.
    Aber nun war der Doktor wieder da. Ihr Doktor! Um zu erfahren, wie es um ihn stand, schickten sie Spähtrupps aus, die um das Haus gingen und jedesmal meldeten: Nö – er hat noch kein Schild draußen!
    Und dann, eines Tages, hing das Schild wieder an der Vorgartenpforte. In weißem Emaille mit schwarzer Schrift. Dr. med. Hansen, prakt. Arzt.
    Wie ein Moorbrand verbreitete sich die Nachricht durch die Heide, flog von Kate zu Kate, von Bett zu Bett.
    Am nächsten Morgen starrte Dr. Hansen aus dem Fenster. Das Wartezimmer war zum Bersten voll. Kopf an Kopf standen sie, die Seitentreppe hinunter bis in den Vorgarten. Knorrige Gestalten, junge Mütter mit ihren Kindern, alte Weiblein, sogar der Friseur war da. Er hatte sein ›Handbuch der Heilkunde‹ aufatmend wieder weggestellt.
    »Siebenundfünfzig sind es!« sagte Karin hinter Hansens Rücken. »Und in der Küche liegen mindestens acht Schinken und zwanzig Dauerwürste.«
    Hansen lächelte schwach, als ihm Karin berichtete, wer alles im Wartezimmer saß. Er zog seinen weißen Arztkittel an und steckte das Membranstethoskop in die untere Tasche.
    »Der Medizinmann ist wieder da!« sagte er bitter. Karin schüttelte heftig den Kopf.
    »Nein – ihr Helfer!« Sie umarmte und küßte ihn. »Mir ist«, flüsterte sie, »als hätten wir wirklich die Zeit zurückgedreht, als hätte es nie diese zweieinhalb Jahre gegeben. Es ist alles wie früher …«
    Dr. Hansen nickte. Er ging hinüber in seine Praxis.
    Wie sehr er sich seiner Kapitulation in den letzten Wochen geschämt hatte, davon hatte er sich selbst gegenüber Karin nichts anmerken lassen …
    Der neue Chefarzt des Johanniter-Krankenhauses, Professor Dr. Hubert Färber, sprang verwundert von seinem Schreibtischsessel auf, als unangemeldet sein alter Lehrer Professor Runkel bei ihm eintrat.
    Runkel winkte ab, als ihm Färber behilflich sein wollte, und legte seinen Mantel über eine Stuhllehne. Seine Augen waren müde und trüb geworden. Er war um seine Emeritierung eingekommen. Er fühlte sich zu alt und verbraucht, um weiter das Ordinariat der Chirurgie zu leiten.
    »Ich sehe, Sie wundern sich«, sagte er mit der gewohnten, hellen, spöttischen Stimme. »Glauben Sie mir, mir ist dieser Gang nicht leichtgefallen. Ich habe mit Ihnen zu sprechen … privat … und es wird eine schmerzliche Unterhaltung sein …«
    Ein wenig benommen schob Färber seinem alten Lehrer einen Sessel hin und suchte dann in seinem Schreibtisch nach Zigarren. Er fand nur zwei Kistchen mit einer Sorte, die Runkel nie rauchen würde. Bedauernd hob er die Arme.
    »Nicht einmal eine Zigarre kann ich Ihnen anbieten, Herr Professor«, sagte er. »Aber einen guten Rotwein …«
    »Lassen Sie, lieber Färber. Lassen Sie.« Runkel winkte ab und setzte sich langsam. »Der Wein wird uns sauer werden.«
    »Sie machen mir Angst, Herr Professor.«
    »Ihre Klinik nimmt Sie ganz in Anspruch, was?« Runkel hob die Hand, als Färber antworten wollte. »Natürlich, wen frage ich das? Ich bin selbst lange genug Klinikchef … und wenn zu Hause jemand krank war, mußte man mich erst extra darauf aufmerksam machen. Ich hatte auch immer nur meine Patienten in der Klinik im Kopf …«
    Färber setzte sich Runkel gegenüber auf die Kante eines Stuhles. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Brust, einen Druck, den er nicht abschütteln konnte. Daß Runkel nicht gekommen war, um einige Banalitäten zum besten zu geben, war sicher. Sichtlich suchte er nach einem Übergang. Mehrmals strich er sich mit der Hand über den Kopf, setzte zum Sprechen an, ließ es aber wieder.
    »Fühlen Sie sich unwohl, Herr Professor?« fragte Färber, um das Gespräch nur irgendwohin zu steuern.
    »Ich? Nein!« Runkel sah auf seine Hände. »Obwohl man wahrhaftig krank werden könnte. Ihr Nachfolger als Erster Oberarzt ist eine Flasche! Das im Vertrauen, lieber Professor …« Es klang seltsam, wenn Runkel seinen Schüler mit Professor anredete. Färber schüttelte den Kopf.
    »Sagen Sie bitte wie früher einfach Färber
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