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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entschlossen, die Ermittlungen einzustellen und keine Anklage zu erheben …«
    Karin sank auf einen Stuhl, schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu weinen. Hansen starrte den Oberstaatsanwalt an.
    »Sie werden nicht …«
    »Nein! Das Tagebuch Doktor Pechls, die Aussagen der Mehrzahl der Patienten und Hinterbliebenen, vor allem aber das Problem einer internen Krebstherapie auf biologischer Basis, das niemals in einem Gerichtssaal zu lösen ist, haben uns bewogen, von einer Anklage abzusehen. Vertraulich kann ich Ihnen sagen, daß dabei auch maßgebend war, daß Professor Runkel sich als Gutachter zurückzog und distanzierte …«
    »Runkel …?«
    »… und daß Professor Doktor Färber ebenfalls die Sinnlosigkeit eines Prozesses bestätigte.«
    »Professor Färber … er hat es also geschafft!« Das Gefühl einer großen Erleichterung, das ihn überkommen sollte, nun, da sich alles doch noch so glücklich zu fügen schien, überkam ihn nicht. Im Gegenteil, eine Leere war in ihm.
    »Wie kommt gerade Runkel dazu …«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und ich kann wieder praktizieren?«
    »Natürlich! Die zweihunderttausend Mark Kaution werden in den nächsten Tagen an Ihren Herrn Schwager zurückgezahlt.«
    »Ich kann wieder in meine ›See-Klinik‹ einziehen?«
    »Ja. Nur … Darüber wollte ich mit Ihnen offen sprechen. Außerdienstlich.«
    »Ich verstehe.« Hansen drehte sich um. Er sah Karins große, bettelnde Augen, er sah Barthels ernste Miene, er sah plötzlich Wottke vor sich, der ihm dreißigtausend Mark, sein ganzes Erspartes gab und dafür nur Sorge und Aufregung als Zinsen erhalten hatte.
    »Wenn ich in die Klinik zurückkehre, geht es wieder von vorne los, nicht wahr?«
    »Genau das!« sagte Barthels. »Ihre Feinde sind zahlreich und berühmt. Was ihnen jetzt beim ersten Gang nicht gelungen ist, wird ihnen früher oder später beim zweiten Anlauf gelingen. Sie werden nicht lockerlassen, und sie haben den längeren Arm als Sie, Herr Hansen, die besseren Verbindungen und vor allem ihre international anerkannten Namen und Methoden. Noch nie ist eine Mauer eingestürzt, wenn jemand mit dem blanken Kopf gegen sie anrannte.«
    »Sie raten mir also, meine Klinik aufzugeben!«
    »Ich möchte Sie fast darum anflehen. Was haben Sie davon, wenn Sie jedes Jahr verhaftet werden und Ihre Klinik auf- und zugemacht wird? Man wird Sie zerreiben, und eines Tages wird man einen Anlaß finden, um Ihnen jede ärztliche Tätigkeit zu untersagen!«
    Hansen blickte auf Karin. Ihr schmales Gesicht war bleich.
    »Jens …«, sagte sie leise.
    »Sollen die anderen stärker sein?« schrie Hansen plötzlich. Es brach aus ihm heraus wie aus einem Vulkan.
    »Seien Sie klüger … das ist alles. Vielleicht arbeitet die Zeit für Sie …«
    »Die Zeit! Meine Unheilbaren haben keine Zeit mehr!«
    Dr. Barthels sah auf seine Hände.
    »Die Krebskranken …«, sagte er leise. »Meine Schwägerin ist tot …«
    Als der erste Schnee fiel, der Plöner See grau unter den tief hängenden Wolken lag und Wottke die Blumenbeete noch einmal mit dicken Tannenreisern abdeckte gegen den kommenden Frost, montierten zwei Arbeiter das Schild an der großen Einfahrt ab.
    ›See-Klinik, Chefarzt Dr. J. Hansen.‹
    Es gab sie nicht mehr.
    Statt dessen verkündete über dem Eingang ein großer Lichtbogen Tag und Nacht:
    ›See-Palasthotel.‹
    Eröffnung im Frühjahr. Vierzig eigene Segelboote. Regatten! Seerennen! Golf! Reiten! Berühmte Schauorchester! Schönheitskonkurrenzen wie noch nie!
    Eröffnung im Frühjahr.
    Manager Jim Cowling, Miami.
    ›See-Palasthotel.‹
    Bei Schneesturm zog die Familie Wottke aus.
    »So, und nun wird gearbeitet, boys!« rief Jim Cowling dem kleinen Arbeiterheer zu, das im Speisesaal stand. »Wollen mal zeigen, was wir aus dem Kasten machen können! Hoffentlich haben die im Keller keine Leichen vergessen!«
    Er lachte schallend, und das Südseemädchen auf seiner Krawatte tanzte …
    In der Heide sprach es sich schnell herum: Unser Doktor ist wieder da!
    Seit zwei Jahren, nach dem Weggang Hansens in die eigene Klinik, hatte sich ein junger Arzt niedergelassen. Da er der einzige Arzt in weiter Umgebung war und der Weg in die Stadt den Bauern zu beschwerlich war, wurde er aufgesucht, aber meist nur in den dringendsten Fällen, wenn der Schäfer oder der Dorffriseur, der ein ›Handbuch der Heilkunde für den Allgemeingebrauch‹ besaß, nicht mehr helfen konnten.
    Es war ein schwerer Kampf, den der junge Arzt mit den dicken
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