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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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komme sofort ins Bett, wenn ich zurück bin.«
    Er öffnete die Haustür und knipste das Licht über dem Eingang an. Ein Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen stand draußen in der kalten Dunkelheit.
    »Bitte, wie kann ich Ihnen helfen?« fragte Hansen mechanisch. Er war in Gedanken noch in seiner Klinik.
    Der große, dunkle Mann auf der Treppe nahm den Hut, in dessen Schatten sein Gesicht lag, ab. Weiße Haare quollen zerwühlt über die Stirn. Er hielt sich am Geländer der Treppe fest, so sehr schwankte er.
    »Herr Hansen …«, stotterte er.
    »Das ist doch nicht möglich! Professor Färber? Und jetzt, um diese Zeit?«
    »Herr Hansen …«
    »Kommen Sie, kommen Sie herein, Sie können sich ja kaum auf den Beinen halten …« Er zog Färber in die Diele.
    Karin kam aus dem Schlafzimmer. Als sie Färber erkannte, war sie über sein verändertes Aussehen so erschüttert, daß sie kein Wort herausbringen konnte. Mit zitternden Händen half sie Hansen, Färber ins Zimmer zu geleiten. Etwas Entsetzliches mußte in ihm vorgehen, wenn er in diesem Zustand tiefster Verzweiflung keine andere Zuflucht mehr wußte als Hansen, den er einst so abgrundtief gehaßt hatte. Färber legte den Kopf auf die Lehne des Sessels, in den sie ihn gesetzt hatten, blieb so eine Minute bewegungslos, warf dann den Kopf nach hinten, schlug beide Hände vor die Augen und brach in Tränen aus.
    Karin war in die Küche gelaufen und kochte einen starken Kaffee, während Hansen behutsam begann, Färber aus seiner Einsamkeit herauszuhelfen.
    »Was ist … ist etwas geschehen, Herr Färber … ich bitte Sie von Herzen, dann sagen Sie es mir …«
    »Sie können mich nicht zwingen, mich Ihnen anzuvertrauen … gerade Sie am allerwenigsten«, sagte Färber, in dem der alte Haß wieder sinnlos aufflackerte.
    »Wie Sie wollen. Soll ich Ihre Frau anrufen, damit sie Sie hier abholt? Ich zweifle, ob Sie in diesem Zustand allein noch bis nach Hause kommen …«
    Professor Färber sprang auf. Mit beiden Händen hielt er sich an der Sessellehne fest. »Das werden Sie nicht, Hansen!« schrie er. »Erst hören Sie mich an!«
    »Man soll nicht immer in der Vergangenheit wühlen, Färber …«
    »Sie deuten meinen Besuch ganz falsch«, stöhnte Färber. »Ich komme wegen der Zukunft, Hansen! Ich … ich …« Er starrte Karin entgegen, die mit einem Tablett hereinkam. »Lieben Sie Ihre Frau, Hansen?«
    Hansen vermied es, Karin anzusehen.
    »Sie gehören ins Bett, Färber. Sie trinken keinen Kaffee mehr, ich gebe Ihnen eine Beruhigungsinjektion, und inzwischen wird Karin das Gastzimmer für Sie hergerichtet haben.«
    »Sie lieben Ihre Frau!« schrie Färber. Und nach einem kleinen Zögern: »Und ich liebe meine Herta! Ja, ich liebe sie, trotz allem! Ich … ich … bete sie an. Können Sie das verstehen, Hansen? Sie, gerade Sie müssen das verstehen.« Er starrte wieder auf Karin. Das Tablett zitterte in ihren Händen. »Ich bin gekommen als Bettler, Hansen. Ja, als Bettler! Ich flehe Sie an … inbrünstig flehe ich Sie an: Nehmen Sie Herta zu sich …«
    Karin hatte das Tablett hastig abgestellt. Hansen legte ihr die Hand begütigend auf den Arm. Färber senkte den Kopf.
    »Wir wissen nicht mehr weiter, Hansen … Runkel nicht, ich nicht … Herta will sich nicht operieren lassen …«
    »Herta … operieren?« Hansen spürte, wie Karin nach seiner Hand tastete. »Was hat denn Herta, um Gottes willen?«
    »Krebs!«
    Hansen umklammerte die Finger Karins. Sein Gesicht war leichenblaß. »Ich kann nicht mehr helfen, Färber«, sagte er leise. »Ihr … ihr alle habt mir ja die Klinik zugemacht … nun ist es zu spät … auch für Herta …«
    Färber sah aus, als wollte er Hansen an die Kehle. »Wenn Sie noch einmal ›zu spät‹ sagen, bringe ich Sie um, Hansen! Sie können helfen, wenn Sie wollen! Sie müssen helfen!«
    »Mit meinen nackten Händen? Wie stellen Sie sich das vor?«
    »Hansen!« Färber brach zusammen. Er sank in den Sessel zurück und stützte den Kopf in die Hände. »Ich bin gekommen, um Sie in höchster Not anzuflehen! Nicht, um von Ihnen eine bittere Abrechnung zu hören. Herta will sich nicht operieren lassen. Sie weigert sich verbissen! Runkel hat alles versucht. Dabei hat sie bis jetzt noch ausgezeichnete Chancen … Aber sie weigert sich. Sie will zu Ihnen!«
    »Das ist doch Wahnsinn! Sie muß sich zuerst operieren lassen!«
    »Sagen Sie ihr das, Hansen!« Färbers Kopf sank wieder auf die Sessellehne. »Es ist schrecklich für mich …
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