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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber wenn Sie es sagen, tut sie es. Retten Sie Herta, bitte, bitte … ich liebe sie doch …«
    »Wer soll operieren?«
    »Runkel. Ich kann es bei Herta nicht.«
    »Wenn ich dabeisein darf …«
    »Sie werden alles dürfen! Nur bewegen Sie Herta dazu, sich operieren zu lassen.«
    Hansen zögerte. Er spürte den Druck von Karins Fingern in seiner Hand. Ihr Kopf lehnte leicht an seiner Schulter.
    »Bitte …«, flüsterte sie. »Tu es Jens.«
    »Sie wird bei uns wohnen müssen, nach der Operation. Du weißt, die biologische Therapie zieht sich vielleicht über Monate hin …«
    »Sie wird eine Patientin sein wie jede andere.«
    »Ich wollte nie mehr einen Krebs behandeln, Karin! Ich hatte es mir geschworen!«
    Sie schüttelte den Kopf an seiner Schulter. »Du mußt Herta aufnehmen …«
    Kaum hatte Hansen seinen nächtlichen Gast zu Bett gebracht, läutete das Telefon.
    Eine Frauenstimme. Hansen brauchte nicht zu fragen, wer es war. Auch Karin, die die Stimme hinter ihm mithörte, fragte nicht.
    »Herta …«, sagte Hansen langsam. »Es ist gut, daß du anrufst. Hubert ist verschwunden, sagst du? Ich kann dich beruhigen … er ist bei mir … Ja, bei mir! Komm auch heraus, wenn es geht, sofort. Wir erwarten dich. Ja … auch Karin …«
    Er gab den Hörer nach hinten zu seiner Frau. Karin zögerte keine Sekunde.
    »Ich erwarte Sie, Frau Färber«, sagte sie laut. »Ich freue mich, daß Sie zu uns kommen. Jens hat einiges mit Ihnen zu besprechen …«
    Sie nickte Hansen zu, während sie den Hörer zurücklegte.
    »Sie fährt sofort ab …«
    Hansen zog sie an sich. »Du bist eine fabelhafte Frau, Karin. Wie konnte das alles zwischen uns nur geschehen? Waren wir denn blind oder verirrt?«
    »Beides, Jens.« Sie küßte ihn und zog ihn aus dem Zimmer. »Und nun legst du dich hin. Herta wird vor dem Morgengrauen nicht hier sein können … Und morgen beginnt wieder ein Tag mit fünfzig Patienten und dreißig Hausbesuchen … du mußt jetzt schlafen …«
    Die Welt ist doch verrückt, dachte er, während er sich auszog. Warum haben sie mich eigentlich zu Boden geworfen und sind auf mir herumgetrampelt? Warum haben sie mein Lebenswerk vernichtet? Das ist alles so unsinnig, daß es wahrhaftig nicht zu begreifen ist …
    Er legte sich ins Bett und starrte an die dunkle Decke. Er konnte nicht einschlafen. Es war ihm, als habe er drei Jahre seines Lebens nur im Traum erlebt und stehe jetzt genau an der gleichen Stelle wie damals.
    Aufnahme eines Krebskranken. Belegung seiner kleinen privaten ›Vier-Betten-Klinik‹ hinten im Garten.
    Begann alles wieder von vorn?
    »Nein!« sagte er laut, um sich selbst zu zwingen, diese Gedanken aufzugeben.
    »Nein! Sie werden mich wieder vernichten!«
    Karin drehte sich herum. »Was sagst du, Jens?« murmelte sie im Schlaf.
    »Nichts, Liebstes, nichts …«
    Und so lag er die ganze Nacht schlaflos, bis durch das Morgengrauen das Heulen eines Motors drang.
    Herta Färber …
    Professor Runkel hatte operiert.
    Blendend wie immer, mit einer Schnelligkeit und Virtuosität, die seine verblüffende Operationstechnik demonstrierten.
    Er hatte vorsichtshalber die rechte Brust Hertas amputiert und bis zu den Lymphbahnen ausgeräumt. Er hatte alles getan, was ein Chirurg tun konnte … mit dem Elektromesser war er tief ins Gesunde gedrungen, um jede vielleicht dort noch versteckte Krebszelle auszuschalten. Nach menschlichem Ermessen mußte Herta damit geheilt sein. Sie war rechtzeitig gekommen, ein Vorteil, den Hunderttausende Krebskranke versäumen, weil bei ihnen die Erkrankung zu spät erkannt wird.
    Runkel zog seine Handschuhe aus und warf sie in einen Eimer, den die jüngste OP-Schwester dem Chef hinhielt. Dann nahm er Kappe und Mundschutz ab. Der neue Erste Oberarzt machte die Schichtnähte.
    »So«, sagte Runkel zu Hansen, der neben ihm stand und der Operation zugesehen hatte. »Jetzt können Sie Frau Färber wieder ganz auf die Beine bringen. Mit Ihrem Müsli und so …«
    Es klang nicht spöttisch oder angriffslustig, sondern eher wie ein befreiender Scherz. Hansen spürte es und lachte.
    »Auch Sie sollten einmal bei mir Müsli essen, Herr Professor«, sagte er. »Sie haben bestimmt 230 Blutdruck!«
    »Ach, gegen Blutdruck hilft das auch? Krebs, Blutdruck, Schilddrüse … sagen Sie mal … Sie haben gegen alles etwas …«
    »Nein, gegen die Chirurgie nicht …«
    Professor Runkel lachte schallend. »Sie sind ein gar nicht so übler Kerl, Hansen!«
    »Danke, Herr Professor.«
    Runkel legte
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