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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition)
Autoren: Jennifer Bosworth
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lange Linie rot-schwarzen Gewebes. Die Versengung war nicht gerade ansehnlich, aber sie hatte die Wunde verschlossen und die Blutung gestoppt.
    Ich dachte an die verirrten Lichtadern, die sich um Moms Körper gewickelt hatten, als ich Prophet getroffen hatte, und musste beinahe lachen. Eines wusste ich sicher, was Blitze anbelangte: Sie waren unberechenbar. Wenn einer einschlug, konnte man sich nie sicher sein, welche Wirkung er haben würde.
    Mom war am Leben und setzte sich auf. Ich stellte fest, dass ich weinte und dass Parker ebenfalls weinte, und dann umarmten wir uns alle.
    Ein Blitz erleuchtete den Himmel, brannte sich durch meine Erleichterung, ließ meine Haut kribbeln und erinnerte mich daran, dass diese Nacht noch nicht vorbei war. Es gab etwas, das ich noch zu erledigen hatte. Das Unwetter zog in die Wüste, und ich musste ihm zuvorkommen.
    Ich musste die Blitze zurückholen, die ich dem Unwetter gegeben hatte.
    Die Menschen um uns husteten heftig.
    »Wir müssen hier raus«, hörte ich jemanden sagen. Er klang wie Mr Kale, aber vielleicht klang jeder wie Mr Kale, wenn er Rauch in der Kehle hatte.
    Jeremy stach aus den Suchenden heraus. Er war als Einziger weiß gekleidet.
    »Kannst du mich in die Wüste bringen?«, fragte ich ihn und wusste bereits, wie seine Antwort lauten würde.
    Er nickte. Die Traurigkeit und die Wut in seinem Blick waren wilder Entschlossenheit gewichen.
    Ich drehte mich zu Parker um. Er stützte Mom, deren Gesicht genauso weiß war wie einst ihr Kleid. Sie hatte eine Menge Blut verloren, bevor ich die Schnittwunde an ihrem Hals verschlossen hatte. Ein großer Teil davon war in ihr Hochzeitskleid gesickert und hatte dessen Weiß in das Rot der Umhänge der Suchenden verwandelt.
    Eine der Suchenden in meiner Nähe entfernte ihre schwarze Maske: Katrina. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Wir bringen deine Mom ins Krankenhaus.«
    Ihr Blick wanderte zu dem Haufen verkohlten Fleischs, der von Prophet übrig geblieben war. »Danke«, sagte sie. Sie lehnte sich an ihrem Onkel an, und Mr Kale nickte mir zu. »Danke«, echote er.
    Für lange Verabschiedungen war keine Zeit. Ich sagte zu Parker: »Pass auf Mom auf.«
    »Wohin gehst du?«, fragte er beunruhigt. Seine Muskeln spannten sich an, als wollte er mich festhalten, um mich am Gehen zu hindern. Aber er ließ Mom nicht los.
    Als ich ihn kurz am Arm berührte, weiteten sich seine Augen. Er betrachtete meine Hand.
    »Ich spüre ihn«, sagte er mit ehrfurchtsvoller Stimme. »Deinen Funken.«
    »Wiedersehen, Parker.« Die Endgültigkeit in meiner Stimme war kaum zu überhören, doch Parker versuchte nicht, mich davon abzuhalten, das zu tun, was ich tun musste. Er ließ mich gehen.
    Ich kann nicht behaupten, dass ich umgekehrt dasselbe getan hätte.
    39
    D er Wind heulte durch die Wüste, und meine Haut heulte mit ihm. Noch war der Himmel über uns klar, aber ich sah das Unwetter in unsere Richtung ziehen. Wie lange würde es noch dauern, bis es ankam? Es war unmöglich, das zu beurteilen, da es sich nicht um ein natürliches Gewitter handelte, sondern um ein menschengemachtes.
    Ein Mia-gemachtes Gewitter.
    Heute Abend wurden die Rampen, die in die Wüste führten, nicht von Wachposten mit Betäubungsgewehren bewacht. Vielleicht hatten sie gehört, dass die Rover ganz oben auf Gottes Abschussliste standen, und beschlossen, auf Nummer sicher zu gehen und einen großen Bogen um den Rove zu machen.
    Jeremy lenkte sein Motorrad durch die zerstörten Straßen der Wüste und fuhr so schnell, dass uns ein Unfall das Leben gekostet hätte. Wenn wir es nicht rechtzeitig zum Tower schafften, wären wir allerdings ebenfalls tot.
    Als Jeremy anhielt und wir vom Motorrad kletterten, blieben meine Füße regelrecht am Boden kleben. Mein ganzer Körper war wie gelähmt von dem glühend heißen Kribbeln auf meiner Haut. Mit dem Schmerz überkam mich jedoch ein Hochgefühl, eine Euphorie, die mich wissen ließ, dass ich am Leben war, dass ich mit allem verbunden war, mit jedem Molekül, das mich umgab. Ich spürte nicht mehr, wo mein Körper endete und wo meine Umgebung begann. Dieses Gefühl – das Verlangen, mit etwas zu verschmelzen, das größer war als ich selbst – hatte dafür gesorgt, dass ich mich unzählige Male vom Blitz hatte treffen lassen. Aber ich hatte es noch nie so intensiv empfunden. Ich hatte dem Gewitter meine Blitze geliehen und spürte, dass sie zu mir zurückkehren wollten.
    Ich schloss die Augen und ließ Glasstaub in mein
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