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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition)
Autoren: Jennifer Bosworth
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fühlte ich mich wieder ganz: Die Partikel, die aufgestiegen waren, senkten sich wieder zu mir herab.
    »Mia …«, setzte Jeremy an. Dann leuchtete ein Blitz auf, und Donner zerriss die Luft und verschluckte seine Worte.
    Ein weiterer Blitz schoss durch die Wolken und griff nach mir. Donner erschütterte die Nacht und ließ den Tower bis ins Fundament erzittern. Meine Arme schnellten in den Himmel. Die ersten Regentropfen landeten auf meinen Handflächen.
    Als Blitze zwischen den Wolken zuckten und pulsierten und sich verzweigten, schrie mein Blut nach mehr. Meine Haut lechzte danach, die Hitze zu trinken.
    »Eins, Mississippi …«
    Krach!
    Die Aufzugtür ging mit einem Klingeln auf, und Suchende in roten Umhängen strömten mit synchronen Bewegungen heraus. Sie verschmolzen mit dem Kreis, den die Rover auf dem Dach gebildet hatten, und reichten einander scheinbar instinktiv die Hände.
    Jeremy schloss sich ihnen nicht an. Er konnte nicht, wie mir bewusst wurde, da er nicht mit ihnen verbunden war. Er konnte seine Energie nicht mit ihnen teilen. Deshalb stand er abseits, so weit weg von mir und so nahe bei mir, wie er es sich erlauben konnte.
    Weitere Blitze. Mehr Donner. Licht und Lärm, blendend und betäubend.
    Ich hatte das Gefühl, als würde sich meine Haut jeden Moment von meinem Fleisch schälen.
    Ein weiterer kurzer Schauer prasselte auf das Dach, dann setzte Platzregen ein. Die Elektrizität in der Luft spielte verrückt. Mein Funke reagierte, als wäre mein Körper mit Sprengsätzen umwickelt. Jedes Haar sträubte sich. In meinen Ohren klingelte es. Ich schmeckte Kupfer und wusste, dass ich mir auf die Zunge gebissen hatte.
    Ich hob das Gesicht zu den Wolken. »Kommt zu mir zurück«, flüsterte ich den Blitzen zu.
    Ich schrie auf, als ich in die Handflächen getroffen wurde.
    Und dann …
    Ich fing Feuer, und ich war das Feuer.
    Der Schmerz war mehr als Schmerz. Es gab kein Wort, mit dem man diesen Schmerz hätte beschreiben können, so vollkommen war er. Ein unerträglich qualvoller Hochgenuss.
    Das Klingeln in meinen Ohren verwandelte sich in ein Kreischen. Die Luft knisterte vor Elektrizität. Ein weiterer Blitz fuhr vom Himmel herab, ein flammender Baum, der mit Lichtgeschwindigkeit in meine Richtung wuchs.
    Ich wurde getroffen. Und noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal.
    Gezackte Lichtarme streckten sich aus, um mich zu umarmen. Um mich zu halten. Und ich packte sie und hielt sie fest, solange ich konnte, um mir die Blitze zurückzuholen, die ich hergegeben hatte.
    Licht von der Farbe von Blut strahlte um den Kreis der Suchenden. Ein anderer Kreis, ein Kreis von Jüngern, hatte das Gewitter erzeugt. Würde dieser Kreis, der aus Menschen mit derselben Energie, aber anderen Absichten bestand, es beenden?
    Vielleicht, jedoch nicht bevor das Gewitter mir ein Ende gesetzt hatte.
    Hitze durchflutete mich. Ließ mich zerbersten. Vom Himmel schossen mehr Blitze herab, als ich erzeugt hatte – das Gewitter hatte sie wachsen lassen. Ich hatte meine eigenen Blitze zurückgenommen und noch weitere. Meine Kapazitätsgrenze war erreicht.
    Ich wagte es, an mir hinunterzublicken, und sah, dass mein Brautjungfernkleid versengt und meine Haut entblößt war. Die Blitzschlag-Narben waren wieder da und überzogen mich mit rotem Licht. Die aderartigen Male brachen auf. Ich zerbrach wie Glas.
    Mein splitternder, berstender Körper zuckte und krümmte sich, als er von einem Blitz nach dem anderen durchbohrt wurde. Die verkohlten Reste meiner Bekleidung lagen um mich verstreut. Blitzschlag-Narben leuchteten auf meiner Haut wie glühendes Blut.
    Ich war am Ende meiner Kräfte angelangt.
    Das rote Licht, das die Suchenden umgab, intensivierte sich, bis ich es in der Luft um mich zittern spürte.
    Und plötzlich wurde mir bewusst, dass die Welt still geworden war. Das Donnern hatte aufgehört.
    Als ich den Blick zu den Wolken hob, sah ich, dass sich in ihrer Mitte ein Loch gebildet hatte. Das Auge des Sturms. Doch es wuchs, dehnte sich aus, wurde größer und größer. Das Gewitter löste sich auf, riss sich selbst auseinander, und dahinter kam klarer schwarzer Himmel zum Vorschein, der mit Sternen gesprenkelt war, die wie Glasstaub funkelten.
    Ich lächelte, als ich mein Herz zum letzen Mal schlagen spürte. Dann stand es still. Alles stand still.
    Ich ließ mein Leben los.
    Meine Augen schlossen sich, und mein Körper fiel. Der Tod würde nicht so schlimm werden, dachte ich. Ich würde mich endlich ausruhen
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