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Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Die Auserwählte: Roman (German Edition)

Titel: Die Auserwählte: Roman (German Edition)
Autoren: Jennifer Bosworth
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Gesicht wehen und in meine Haut eindringen.
    »Wir sehen uns bald«, flüsterte ich dem Gewitter zu. Versprach ich ihm.
    Ich drehte mich zu Jeremy um und sah, dass er die Augen geschlossen hatte. Seine Wimpern zuckten. Dann riss er die Augen auf, und ich sah Furcht in ihnen. Nichts als Furcht.
    Er wendete den Blick von mir ab.
    Und ich fuhr fort, mich nach dem Gewitter zu sehnen.
    Jeremy und ich rannten durch die Wüste. Wir hielten die Hände vor die Augen, um uns vor dem Beton- und Glasstaub zu schützen, den uns der Wind ins Gesicht wehte. Als ich an mir nach unten blickte, sah ich, dass mich die Glaspartikel, die an meinem Brautjungfernkleid hängen blieben, funkeln ließen.
    Mich überkam ein Frösteln, als sich über der Stadt eine brodelnde Wolkenwand auftürmte und stetig nach Osten zog. Hinter den Wolken pulsierte blutrotes Licht, und die elektrische Aufladung in der Luft ließ meine Haut pochen. Das Feuer in meiner Brust loderte jedoch nicht auf. Ich hatte es freigelassen, und jetzt brannte es am Himmel.
    Ein Blitz zuckte. Ich zählte leise. »Eins, Mississippi, zwei, Mississippi, drei, Mississippi …« Ich kam bis sechs, als ein Donnerschlag ertönte, dann spürte ich das Beben unter meiner Haut.
    Das Gewitter war noch sechs Meilen entfernt. Vielleicht weniger. Wir mussten uns beeilen. Mussten auf das Dach des Tower gelangen, so nah wie möglich an das Gewitter heran. Es war ausnahmsweise einmal nicht angezeigt, zur Party lässig zu spät zu kommen.
    Als wir uns dem Tower näherten, war von weit oben leise Musik zu hören.
    Vom Dach der Welt.
    Irgendetwas stimmte jedoch nicht. Die Rover hatten es aufgegeben, Schwarzlicht zu benutzen, um ihren Aufenthaltsort geheim zu halten. Auf dem Tower drehte sich ein Scheinwerfer und strahlte einen Kreis in den Himmel, und auch auf anderen Etagen des Tower brannte Licht. Auf fast allen Etagen. Die Beleuchtung war nicht hell, aber sie war da, und je näher wir kamen, desto mehr konnte ich durch die Fenster erkennen, hinter denen sich Gestalten bewegten und tanzten. Die vielen stampfenden Rhythmen verschiedener DJs sorgten für ein wildes, wahnwitziges Durcheinander von Lärm, vor allem zusammen mit dem Donner, der in meinem Kopf krachte.
    »Er hat den Tower gefüllt«, sagte ich mit einer Stimme, die der Wind zu stehlen versuchte. »Da drin müssen Tausende Menschen sein!« Tausende weitere Tote. Doch sie würden nur den Anfang machen. Würden als Erste sterben.
    Ich durfte das nicht zulassen.
    Wir rannten, als würden wir mit dem Wind um die Wette laufen, doch als wir an der Eingangstür des Tower ankamen, stoppte mich Jeremy.
    »Mia …« Seine Stimme erstickte in Gefühlen.
    Ich runzelte die Stirn. »Was ist denn?«
    Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. Ich erinnerte mich, wie seine dunklen Wimpern gezuckt hatten, wie er die Augen aufgerissen hatte.
    »Jeremy …« Es gefiel mir noch immer, seinen Namen zu sagen. »Hast du etwas Neues gesehen? Über mich?«
    Ein Muskel in seiner Wange zuckte. Er sah mich mit seinen schwarzen Augen an. »Nein«, sagte er so leise, dass ich ihn über den Donner hinweg kaum hören konnte, »nichts, was ich nicht schon zuvor gesehen habe.«
    Ich nahm seinen Kopf in die Hände und spürte seine Hitze an meinen Handflächen. Dann lenkte ich seinen Mund auf meinen, und die Wärme wurde zu einem Feuer, das uns miteinander verschmolz, bis es keine Grenze mehr zwischen uns beiden zu geben schien.
    Doch in meinem Kopf begann keine Vision. Jeremy enthielt sie mir vor.
    Ich löste mich von ihm und atmete schwer und schnell. »Warum zeigst du es mir nicht?«
    Er schüttelte den Kopf, schüttelte ihn, als könnte er auf diese Weise die Vision loswerden, die er mir vorenthielt. Ich trommelte mit den Fäusten auf seine Brust. Er stand da wie eine Statue, die Hände zu Fäusten geballt.
    Ich gab auf und senkte den Kopf. »Spielt keine Rolle. Ich weiß schon, was du gesehen hast.« Die Vision von den Märtyrern. Emotionen versuchten, die Worte in meiner Kehle zu blockieren. »Ich werde sterben.«
    Zumindest waren Mom und Parker in Sicherheit. Und die Welt würde sich weiterdrehen. Dafür würde ich sorgen.
    Nicht jeder muss als Märtyrer sterben, hatte ich zu Mr Kale gesagt, wie mir jetzt wieder einfiel.
    Nicht jeder. Aber ich.
    Ich hob den Kopf und blickte Jeremy in die Augen, in denen ich meinen Tod sah. Er brauchte mich nicht zu berühren, um ihn mir zu zeigen.
    Ich fröstelte und holte tief Luft, dann küsste ich ihn abermals – nicht
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