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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn
Autoren: Patricia Highsmith
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ein Terzett der resigna-369
    tiven Stimmung. So unterschiedlich die drei Erzählungen an der Oberfläche sein mögen, eine Schicht tiefer zeigen alle drei dasselbe Material: Sie sprechen von den Niederla-gen, denen man sich zu beugen hat, der Mensch nicht anders als das Tier. Im Fall des Taubenpaars sind es die faulen Kompromisse der Zweisamkeit, in ›Wer ist hier verrückt?‹ ist es die Flucht in den Wahnsinn, in der Kriminalgeschichte ›Quitt‹ die hilflos hingenommene Erpressung durch eine berechnende, heiratswütige Frau.
    Das Tagebuch gibt gelegentlich Einzelheiten preis, die einem jede Illusion über den kommerziellen Erfolg der Schriftstellerin Patricia Highsmith rauben. Am 30. Dezember 1963 notiert sie, der Verkauf der Erzählung ›Wer ist hier verrückt?‹ (die sie laut eigenen Worten »nicht sehr liebt«) an Ellery Queen's Mystery Magazine beende eine siebzehnmonatige Phase völliger finanzieller Dürre. Das ist bitter, denn die sechziger Jahre sind eine Phase intensiver und vielfältiger Arbeit bis hin zu Essays und Rezensionen.
    In zehn Jahren entstehen immerhin sieben Romane, darunter einige ihrer besten. Doch in Amerika werden sogar Bücher wie Die zwei Gesichter des Januar und Die glä-
    serne Zelle abgelehnt, und erst 1968, so Patricia Highsmith in einem Interview, geht es ihr finanziell einigermaßen gut.
    Nimmt man die emotionale Unsicherheit des Aufenthalts in England hinzu – ihre Freundin hatte in London Ehemann und Kind und ließ sich nur selten in Aldeburgh blicken –, wächst die Vorstellung des Scheiterns auch im Alltagsleben der Autorin zu beachtlichen Dimensionen heran.
    Eine ähnliche Wendung wie in ›Quitt‹ droht dem Helden der Geschichte ›Spiel mit Variationen‹, die 1958 skizziert, 370
    aber erst 1973 in Alfred Hitchcock's Mystery Magazine veröffentlicht wurde. In der misogynen Note der Schluß-
    zeilen weist die Erzählung eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Roman Der Schrei der Eule auf, der etwa vier Jahre später entsteht. In beiden Fällen geht es um Fingerabdrücke auf einem Messer, mit dem ein Mensch ermordet wurde.
    Und in beiden Fällen gelingt es dem Helden, einem jungen Mann, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Für die Frauen ist in beiden Texten kein angenehmes Schicksal reserviert.
    Daß sich Patricia Highsmith in ihren Büchern auch an unzuverlässigen Freundinnen gerächt hat, dieser Eindruck ist angesichts der Tücke, mit der manche Frauenfiguren malträtiert und bestraft werden, schwer von der Hand zu weisen.
    Die Tagebücher erwähnen die bemerkenswerte Story
    ›Ein Mädchen wie Phyl‹ mit keinem Wort. Wir wissen fast nichts über sie außer dem schlichten Umstand, daß sie erstmals 1980 im deutschen Playboy erschien. Gelegentlich taucht in den Notizbüchern der Name »Phyllis« auf, mit der Konnotation: Mädchen der Upper class, konservativ, distinguiert. Ferner ist bekannt, daß Patricia Highsmith 1963 in Positano mit Phyllis und George Green befreundet war. Wer würde es wagen, daraus einen schöpferischen Zusammenhang zu konstruieren? Wir müssen es dabei belassen, daß die Erzählung – sieht man von den wenigen Schlußzeilen ab – zu den beeindruckendsten des Bandes gehört. Sie zeigt, wie Enttäuschungen im Leben ihre eigenen Muster erschaffen und wie die unerledigte Vergangenheit die Gegenwart vergiftet. Die lange Nacht im Hotel, in der der Geschäftsmann Jeff Cormack zwischen Neugierde, 371
    Sehnsucht, Befangenheit und Schock hin und her taumelt, ist das Werk einer versierten Autorin. Und während der Lektüre kann man nicht bedauern, daß Patricia Highsmith mit der Erfahrung des Scheiterns so vertrauten Umgang pflegte.

    Paul Ingendaay
    372
    Editorische Notiz
    Der Nachlaß von Patricia Highsmith umfaßt etwa fünfzig Laufmeter. Der literarische Nachlaß im engeren Sinn enthält Typoskripte von Short Stories, Essays, Gedichten, Theaterstücken, Drehbüchern für Fernsehspiele, Hörspielen, Notizbüchern, Romanen (Fragmenten bzw.
    von der Autorin zum Zeitpunkt der Niederschrift als nicht zur Veröffentlichung bestimmten und daher zurückgezoge-nen Manuskripten), Reisebeschreibungen und Kinderge-schichten. Dieses Material bewahrte Patricia Highsmith in insgesamt fünfzehn sogenannten »accordeon files« auf.
    Über 120 Short-Story-Typoskripte und -druckfassungen sind in den Files »Oldest Short Stories 1945-1955 c.«,
    »Middle Short Stories«, »Short Stories 1972-74-78-80-81-82« und »Short Stories 1983-88« abgelegt; bei rund fünfzig
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