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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Johanna Marthens
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Frau und zeigte mir nur wenige Augenblicke später ihr Gesicht. Sie war um die Vierzig und trug eine Notarzt-Uniform. »Kannst du mir deinen Namen sagen?«, fragte sie.
»Moona«, antwortete ich. Ich hatte einen Unfall gehabt, keine Gehirnoperation.
»Moona weiter?«
»Moona Sebastian.«
»Wo wohnst du?«
»Mullendorf.«
»Wie alt bist du?«
»Achtzehn.«
»Sie ist klar«, sagte die Frau zu einem Kollegen.
Danach beugte sie sich wieder zu mir, während die beiden anderen die rollende Trage (nennt man die Bahre oder gibt’s die nur für Leichen?) in einen Krankenwagen hievten. Blaulicht pulsierte durch den Sonnenuntergang. Als die jungen Männer mich in den Wagen hoben, sah ich eine Gruppe von Menschen an der Tankstelle stehen, die mir besorgt hinterher blickten. Erstaunlicherweise hatten sie einen kleinen Hof um den Fremden gebildet, als wäre er ein König und sie wollten ihm vor lauter Ehrfurcht nicht zu nahe treten. Nur Leif stand neben dem Fremden und diskutierte leise, aber heftig mit ihm. Als mein Blick auf die Autobahn fiel, sah ich einen reglosen braunen Körper zwischen Autotrümmern liegen. Das musste Kaspar sein. Ich spürte, wie Tränen in meine Augen stiegen, doch dann lag ich im Wagen. Die Notärztin gab mir eine Spritze, und danach fiel ich erneut ins tiefe Schwarz einer Bewusstlosigkeit.
    Als ich Stunden später zum dritten Mal aufwachte, fühlte ich mich schon fast wieder normal. Noch etwas benommen, als hätte ich nach einem Vollrausch zu wenig geschlafen, aber immerhin menschlich. Ich wusste auch, dass ich weder im Himmel noch in der Hölle war, sondern im Krankenhaus in Gallburg, das etwas vierzig Kilometer entfernt von Mullendorf lag. Mein Bein steckte in einer Schiene, und auch mein Kopf war durch eine Halskrause vor unnötigen und möglicherweise gefährlichen Bewegungen geschützt.
Eine müde Krankenschwester nahm mir Blut ab, wobei sie dreimal gähnte und dabei fast meine Vene verfehlte. Danach kam noch ein Arzt und stellte mir viele Fragen zu meinem Befinden, tastete meinen Bauch ab, wobei mein Magen verdächtig zu knurren begann. Danach musste ich noch ein paar weitere Tests hinter mich bringen, bevor ich in ein Zimmer geschoben wurde.
»Sie haben sehr viel Glück gehabt«, sagte der Arzt. »Sie haben kaum Verletzungen von diesem Unfall davongetragen. So wie es mir geschildert wurde, seien sie schwer verletzt, mehrere gebrochene Knochen und innere Verletzungen, aber das war wohl ein Irrtum. Sogar der Beinbruch, den die Sanitäter festgestellt haben, war eine Fehldiagnose. Da ist zwar ein Bruch zu sehen, aber er ist bereits verheilt. Sie haben wirklich Glück gehabt.«
Ich lächelte glücklich. Das hieß, dass ich in Zukunft nicht mit dem Strohhalm essen oder im Rollstuhl durch Mullendorf fahren musste. Alles war gut. Fast alles.
»Was ist mit meinem Hund?«, fragte ich den Arzt. Doch diese Frage konnte der Mann mir nicht beantworten. Er strich über seine Glatze und schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Da müssen Sie die Sanitäter fragen, ob die was gesehen haben. Oder Ihre Leute, wenn Sie wieder zu Hause sind.«
Ich nickte, was durch die Halskrause etwas schwierig war. »Danke.«
»Oh, danken Sie nicht mir. Danken Sie Ihrem Schutzengel.« Er verzog den Mund zu einem beruhigenden Lächeln. Dann gab er mir eine noch beruhigendere Spritze. Als er den Raum verließ, schlief ich ein.
    In dieser Nacht träumte ich merkwürdige Dinge. In meinen Träumen kam mich Pedro besuchen, mein Freund. Doch er war nicht liebevoll und zuvorkommend. Wir stritten, schrien uns an. Und dann schlug er mich. Seine Hand kam mit rasender Geschwindigkeit auf mein Gesicht zu und prallte klatschend auf meine Wange. Der Traum war so echt, dass ich den Schmerz fühlen konnte, wie er sich von der Wange durch meinen Kopf bis zur Schulter zog. Ich konnte sogar hören, wie es in meinem Nacken knackste, als mein Kopf durch den Schlag zur Seite geschleudert wurde, und ich spürte, wie mein Gesicht glühte. Ich sah Hass in Pedros Augen. Und dann kam auf einmal Kaspar. Er lief über einen holprigen Weg auf mich zu, sein Schwanz wedelte, seine Ohren waren angelegt vor Freude, mich zu sehen. Doch er hatte weder Fell noch Muskeln. Seine Knochen klapperten, er sah mich aus den leeren Augenhöhlen eines Totenkopfes an. Ich fror bei diesem Anblick und weinte bittere Tränen, doch Kaspar schien nicht zu wissen, dass er lediglich ein Gerippe war. Er stupste mich mit seiner Knochennase an, als wolle er mich dazu bewegen, ihm zu
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