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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Johanna Marthens
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hungrigen Mägen zufriedenzustellen. Zwischendurch klingelte es an der Tür. Ein Lieferbote gab Blumen für mich ab. Sie waren von Leif, meinem Boss.
»Ach wie nett«, schwärmte meine Mutter und trank ein Glas Wein auf das Glück, das ihrer Tochter einen so fürsorglichen Chef beschert hatte. »Er hat die Blumen sicherlich extra in Gallburg bestellt.«
»Oder im Internet«, warf Isabelle dazwischen. Beim zweiten Klingeln standen Susi und Gerd Palitzki, unsere Nachbarn, vor der Tür und erkundigten sich nach meinem Befinden. Sie waren beide Mitte Vierzig und hatten einen kleinen Sohn, den sie verwöhnten. Eigentlich waren mehr Kinder für die Familie geplant, aber jahrelang versuchten sie es vergeblich. Erst als sie schon dachte, jetzt sei es zu spät, hatte es geklappt. Sie besaßen mehrere Hektar Land, auf dem sie Mais und Kartoffeln anbauten. Dass sie beides nicht nur verkauften, sondern auch liebend gern aßen, konnte man sehen. Sie wogen jeweils mindestens zwei Zentner. Sie brachten mir einen Sack Frühkartoffeln als Genesungsgeschenk und erkundigten sich danach, was mich dazu gebracht hatte, auf die Autobahn zu laufen. Ich befriedigte ihre Neugier, so dass sie schließlich zufrieden wieder gingen. Erst beim dritten Klingeln war es der Pizzamann.
Als wir uns satt gegessen hatten, war es schon fast Abend und an der Zeit, zum Clubhaus zu gehen. Der stellvertretende Bürgermeister hatte zu einer außerordentlichen Gemeindeversammlung geladen.
    Das Clubhaus lag im Zentrum des Dorfes, direkt neben dem Rathaus, das gleichzeitig als Standesamt, Polizeiwache und Büro für alle möglichen Dienste in Mullendorf diente. Wir Mullendorfer besaßen nicht alle Befugnisse eines richtigen Amtes, deshalb musste vieles in Moosberg erledigt werden, aber Josephine Hahn, die Sekretärin des Bürgermeisters und für alles Bürokratische in Mullendorf verantwortlich, hatte immer genug zu tun. Sie war die Mutter meiner besten Freundin Viviane und Ehefrau des stellvertretenden Bürgermeisters Matthias Hahn.
Matze, wie er von allen nur genannt wurde, war ihr zweiter Mann. Der erste hatte sich mit der Sekretärin seines Gallburger Chefs nach Dänemark abgesetzt.
    Matze stand schon ungeduldig vor dem Clubhaus und begrüßte jeden Einzelnen mit Handschlag.
»Tretet ein in meine bescheidene Hütte«, strahlte er. Er freute sich immer, wenn der Bürgermeister verhindert war und er die Geschicke des Dorfes übernehmen konnte. Er war schon zweimal gegen Leif angetreten und jedes Mal gescheitert. Aller guten Dinge sind drei, hatte er bei der letzten Niederlage geschworen. In drei Jahren war es wieder soweit. Mal sehen, ob er es dann schaffte. Ihm gehörte auf jeden Fall das Clubhaus, das bei solchen Versammlungen als Gemeindehaus diente.
Ich fragte mich, was Leif wohl daran gehindert haben mochte, die Versammlung selbst zu leiten, aber ich kam zu keiner Antwort. Einerseits, weil mir niemand sagen konnte, wo der Bürgermeister war. Vielmehr fragte mich jeder nach meinem Wohlbefinden, da sich das Vorkommnis an der Autobahn inzwischen bis zum allerletzten Dorfbewohner herumgesprochen hatte. Andererseits, weil plötzlich Pedro zu mir trat. Er sah wieder einmal umwerfend aus. Er trug ein weißes Hemd zu knallengen Jeans. Ihn hatte ich schon mit Badehose gesehen, auch ohne, und ich war nicht enttäuscht worden. Dennoch war ich sauer auf ihn, weil er mich nicht im Krankenhaus besucht hatte.
»Es geht dir wieder gut, mein Schatz«, sagte er zur Begrüßung und wollte mich küssen, doch ich schob ihn von mir.
»Ja, es geht mir wieder gut«, antwortete ich kühl. »Das weißt du aber nicht von mir oder meinen Ärzten.«
»Wenn du darauf hinauswillst, dass ich dich nicht im Krankenhaus besucht habe, ich konnte nicht. Meine Eltern wollten, dass ich ein paar beschädigte Zäune am Anwesen besichtige. Der Bär streift wieder durch den Wald und bedroht unsere Tiere.«
»Eure Hühner sind dir wichtiger als ich«, klagte ich. »Ich könnte jetzt tot sein und du hättest an meinem Grab nichts weiter zu sagen als: ›Du kannst dich trösten, dein Tod war nicht umsonst. Den Hühnern geht es gut.‹«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wäre schon noch gekommen, du bist nur zu früh entlassen worden.«
»Also ich bin schuld.« Ich wollte noch mehr sagen, doch in diesem Moment betrat Matze das Clubhaus.
    »Es geht los«, sagte ich und ließ Pedro stehen, um mich neben Viviane zu setzen. Sie wartete schon ungeduldig auf mich. Sie hatte am Morgen angerufen, um sich nach
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