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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)
Autoren: Jeannette Walls
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sie Eugene.
    Es lief alles bestens, bis wir an die Ecke von Mr Muncies Heuwiese kamen, wo der Zaun endete. Eunice bekam Panik und warf sich gegen den Stacheldrahtzaun, versuchte, zurück in die Sicherheit der Heuwiese zu kommen. Sie zwängte sich hindurch, riss sich aber dabei eine Stelle am Rücken blutig. Als Eugene merkte, dass Eunice weggelaufen war, geriet er ebenfalls in Panik, warf den Kopf hin und her und zischte so wild, dass Liz das Seil löste, und genau wie Eunice quetschte er sich durch den Zaun und schürfte sich dabei den Rücken auf.
    Ich hätte am liebsten gegen irgendwas getreten. Nach über einer Stunde Arbeit hatten wir alles nur noch schlimmer gemacht. Die Vögel waren wieder auf derselben verflixten Wiese, aber jetzt waren sie noch dazu lädiert. Liz und ich waren fix und fertig mit den Nerven, aber seltsamerweise hatten alle anderen offenbar einen Riesenspaß. Onkel Tinsley strahlte übers ganze Gesicht, klopfte den Leuten auf den Rücken und gratulierte ihnen zu einer großartigen Teamarbeit. Die Kinder johlten und schubsten sich gegenseitig an, sie ahmten mit wippenden Köpfen und rudernden Ellbogen die Emus nach, während wir alle in der Spätnachmittagssonne zurück zu den Autos gingen.

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    J etzt, wo das Wetter wärmer war, hatte ich mir angewöhnt, samstags mit dem Fahrrad rüber zu den Wyatts zu fahren, um hallo zu sagen und einen Teller von Tante Als in ausgelassenem Speck gebratenen Spiegeleiern zu verputzen. Liz fuhr normalerweise zur Heuwiese, um nach den Emus zu sehen. Mr Muncie hatte gesagt, wir könnten sie auf seiner Wiese lassen, bis wir eine Möglichkeit gefunden hatten, sie wieder nach Mayfield zu holen. Nach dem gescheiterten Viehtrieb war Liz zu der Überzeugung gelangt, dass wir die Emus nie und nimmer würden einfangen können – wir konnten nicht so schnell laufen wie sie, und wir konnten sie nicht überlisten. Wir konnten nur ihre Freunde sein und versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen, und genau daran arbeitete sie jetzt.
    Als ich an einem Samstag Anfang Mai in die Küche der Wyatts kam, saß Tante Al mit Earl am Tisch und schrieb einen Brief. Sie hatte gerade Post von Truman bekommen, erzählte sie mir. Er versuche ja, optimistisch zu bleiben, schrieb er, aber er müsse doch zu- geben, dass der Krieg trotz aller Anstrengungen des US -Militärs nicht so lief, wie die Generäle sagten. Die Amerikaner versuchten, den Krieg an die Vietnamesen zu übergeben, aber die wollten ihn anscheinend nicht haben, und inzwischen waren Drogen ein großes Problem auf dem Stützpunkt. Truman und seine Freundin Kim-An, die den Soldaten auf dem Stützpunkt Vietnamesisch beibrachte, sprachen jetzt ernsthaft von Heirat. Aber Kim-An machte sich Sorgen um ihre Familie, da ihr Vater ebenfalls für die Amerikaner arbeitete, und sie wollte wissen, ob sie ihre Eltern und ihre Schwester mit in die Staaten bringen könnte, falls sie und Truman tatsächlich heirateten.
    »Clarence hält nicht viel von der Idee«, sagte Tante Al, »und ich bin immer davon ausgegangen, Truman würde eines Tages ein Mädchen aus Byler heiraten. Aber ich schreibe ihm gerade, falls er Kim-An mit nach Hause bringt, werde ich Himmel und Erde in Bewegung setzen, um dafür zu sorgen, dass ihre Familie herkommen kann, weil Familie das Wichtigste auf der Welt ist.« Sie faltete den Brief zusammen und schob ihn in einen Umschlag. »Wie wär’s mit ein paar Spiegeleiern?«
    Ich tunkte gerade das restliche Bratfett mit Toast auf, als Joe in die Küche kam. »Ich geh rüber zur Müllhalde«, sagte er zu mir. »Willst du mitkommen?« Auf der Halde landeten alle möglichen Sachen, die noch ganz brauchbar waren, und Joe stöberte dort gern nach irgendwelchen Dingen, die er vielleicht reparieren konnte. Wenn er zum Beispiel einen kaputten Rasenmäher oder einen Plattenspieler oder eine Nähmaschine fand, nahm er sie zu Hause auseinander und versuchte, sie wieder ans Laufen zu kriegen, was ihm auch manchmal gelang.
    Die Halde lag auf der anderen Flussseite, und wir gingen über die Rumpelbrücke. Dog trabte hinter uns her. Es war ein heller, aber windiger Frühlingstag, und Wolken, die oben bauschig und unten platt waren, zogen über den Himmel.
    »Was sagst du zu den Neuigkeiten von Truman?«, fragte ich.
    »Über den Krieg oder über die vietnamesische Freundin?«
    »Beides.«
    »Truman ist echt schlau«, sagte Joe. »Wenn du gegen Truman wettest, verlierst du immer. Wenn er sagt, der Krieg läuft schlecht, dann läuft der Krieg
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