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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)
Autoren: E. Archer
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wir alles notieren. Was auch immer in der Geschichte passieren soll, wir brauchen es uns nur vorzustellen, und schon wird es umgesetzt. So verbringen wir unser Leben damit, uns Geschichten auszudenken und zuzusehen, wie die Handlung abläuft. Wir kritzeln in einer Tour. Dabei achten wir immer darauf, dass es unten in dem Wunsch nicht zu hoch hergeht. Denn es ist wichtig, gefährliche Interaktionen zwischen dem Erzähler und seinen Figuren zu vermeiden.
    Ehe du erfährst, wie es weitergeht, und dein Urteil über mich fällst, möchte ich dir eines klar machen: Du erwartest schon die ganze Zeit von mir, dass ich eine Möglichkeit finde, diesen Teufelsbraten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Aber gleichzeitig musste ich ja ständig weiterschreiben, mit diesem Füller hier. Da! Allein diese sechs Buchstaben, F-ü-l-l-e-r , kosten mich Zeit, und das ist nur ein einziges Wort! Versuch mal, dir während des Lesens vorzustellen, was als Nächstes passieren soll. Gar nicht so einfach, oder? Ich bin ja im Gegensatz zu Maarten Einepersson noch nicht seit Jahrhunderten im Geschäft und habe keinen Fundus an Geschichten, auf den ich zurückgreifen kann. Ich brauche ein bisschen Vorsprung, wenn ich der Handlung immer einen Schritt voraus sein soll.
    Da sitze ich nun an meinem Pult, schreibe diese Sätze nieder und beobachte Ralph und Beatrice unter mir. Ich fühle mich machtlos. Mir fällt nichts Plausibles ein, das sie stoppen könnte.
    Sie spazieren zwischen den Sets hin und her. Als sie in den Bereich der japanischen Science-Fiction-Requisiten gelangen, kommen sie an einem Dutzend geckogroßer Godzillas vorbei und treffen dann auf Mothra. Zitternd vor Begeisterung, derartigen Ikonen des Nerdtums zu begegnen, nimmt Ralph die Riesenmotte im Miniformat von ihrem Inselchen und schlingt ihr ein Stück Kette um den Bauch (das er kurz vorher in einer Bergbau-Kulisse aufgetan hat). Dann wirft er Mothra in die Luft wie eine Hochzeitstaube.
    Dass Motten zum Licht fliegen, ist ja nun wirklich kein Geheimnis. Es ist mir äußerst peinlich, dass ich unserem Duo Forsch & Dreist an diesem Punkt nicht zwei Schritte voraus war. Denn Mothra, die etwa so groß ist wie eine Männerhand, saust geradewegs auf meine Glühlampe zu. Mit ihrer übermenschlichen Flugkraft hebt sie Ralph und Beatrice, die an der Kette hängen, in die Lüfte, und ich sehe im schwachen Licht meiner Glühbirne das leuchtende Weiß ihrer Augen, als die beiden auf mich zufliegen.

64. Kapitel
    An einer Szene mitzuwirken, die man sich selbst ausgedacht hat, ist eine enorme geistige Herausforderung. Das kannst du dir bestimmt vorstellen und mir deshalb verzeihen, wenn ich nicht alles in Worte zu fassen vermag. Während ich diese Sätze schreibe, haben Ralph und Beatrice natürlich weitergesprochen, ich komme einfach nicht mit!
    Ich bringe kein Wort heraus – aus Scham, aber auch deshalb, weil ich mich ganz aufs Weiterschreiben konzentrieren muss. Ralph nutzt meine missliche Lage aus, schleicht sich hinter das Pult und überfliegt die letzten Sätze:
    … aus Scham, aber auch deshalb, weil ich mich ganz aufs Weiterschreiben konzentrieren muss. Ralph nutzt meine missliche Lage aus, schleicht sich hinter das Pult und überfliegt die letzten Sätze …
    »Hör auf«, sagt Beatrice leise. »Bitte! Leg den Füller aus der Hand!«
    Aber ich kann nicht aufhören. Denn das ist doch das erste Gebot, das Wichtigste von allen: immer weiterschreiben.
    Ich weiß noch, irgendwann in der Zeit vor meiner jetzigen Anstellung, als ich noch ein Kind war und bei meiner Mutter lebte, da kam ich mal einen Tag früher aus dem Internat nach Hause, weil meine Klassenkameraden mich wieder einmal in die Zange genommen hatten. Meine Mutter war nicht da. Vielleicht drehte sie gerade einen Werbespot in den Staaten. Ich erinnere mich, dass ich einen Küchenschrank aufmachte und eine Packung Chips herausnahm. Da sah ich auf der Vorderseite einen Koch, der eine Chipspackung in der Hand hielt, auf der ein Koch abgebildet war, der eine Chipspackung in der Hand hielt, auf der ein Koch abgebildet war, der eine Chipspackung in der Hand hielt. In diese letzte Packung bin ich regelrecht reingekippt und musste mir fürs Abendessen eine Pizza bestellen.
    So ähnlich ergeht es jetzt Ralph. Es ist ein Nervenkitzel, dem sich keiner von uns entziehen kann, dieser magische Moment, in dem wir über uns nachdenken, wie wir über uns nachdenken. Aber es ist auch ein Nervenkitzel, der schnell in lähmende
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