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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)
Autoren: E. Archer
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Verzweiflung umschlagen kann. Deshalb versuche ich meine nutzlosen Kritzeleien vor Ralph zu verbergen. Aus meiner Feder trieft pures Entsetzen darüber, in welches Dilemma ich geraten bin: die Aussicht, mich in meinen eigenen Seiten zu verlieren und bis in alle Ewigkeit in einem einzigen Moment gefangen zu sein.
    »Hör auf damit!«, sagt Ralph und greift nach dem Füller. Noch bevor ich diese Worte niederschreiben kann, hat er ihn mir entwunden.
    »Du kleiner Mistkerl!«, sage ich. »Wenn du nicht wieder runterkletterst, dann … dann weiß ich auch nicht.« Das Klirren der Kette, mit der Mothra unaufhörlich gegen die Glühbirne prallt, lenkt mich ab. Tatsache ist: Ich weiß genau, was ich tun müsste. Nur kriege ich es nicht hin. Ich bringe die Konzentration nicht auf, die ich bräuchte, um die richtigen Worte zu finden.
    »Du kannst nicht einfach so über uns bestimmen!«, brüllt Ralph. »Wir sind echte Menschen und keine Marionetten!«
    »Maurice.« Beatrice legt mir eine Hand auf die Schulter. »Du heißt doch Maurice, oder?«
    »Du kennst ihn?«, keift Ralph. »Und außerdem habe ich überhaupt nicht ›gekeift‹!«
    »Maurice«, fährt Beatrice unbeirrt fort. »Bist du gegen deinen Willen hier? Wirst du hier zur Arbeit gezwungen?«
    »Was aus mir geworden ist, kannst du nicht ändern«, sage ich.
    »Es muss einen Weg geben«, erwidert Beatrice. »Sag uns, dass wir dich retten sollen, dann finden wir einen Weg!«
    »Du glaubst, ich hätte den besten Job der Welt«, sage ich zu Ralph. »Du denkst, ich sitze hier oben wie ein kleiner Gott und mache fröhlich alles, was ich will. Aber das hier ist mein Leben, und zwar mein ganzes Leben. Ich bin hier vollkommen allein, habe keine Freunde. Nicht mal meine Mutter ist da. Keiner, den ich lieben kann. Keiner, der mir mal von unten zuwinken würde, um mir zu zeigen, dass mich überhaupt jemand zur Kenntnis nimmt. Mein Leben ist mein Job, mein Job ist mein Leben. Dein toller Traumjob bei MonoMyth – ja, das ist etwas ganz anderes! Da hast du die Chance, dir Geschichten auszudenken und trotzdem dein eigenes Leben zu führen. Ich würde alles geben, alles …«
    »Wir holen dich hier raus«, unterbricht mich Beatrice.
    »Nein! Ich würde das hier niemals hergeben. Ich vermisse nur mein altes Leben. Ihr habt mich auf dem falschen Fuß erwischt. Als ich euch beide zusammen sah … habe ich die Beherrschung verloren. Aber ich werde mich schon wieder fangen, da bin ich mir sicher.«
    »Es ist völlig in Ordnung, auch mal die Kontrolle zu verlieren«, bemerkte Beatrice.
    »Und mir kommen gleich die Tränen!«, sagt Ralph kühl und wirft einen bösen Blick auf meinen Füller, als wäre er der Übeltäter. »Nichtsdestotrotz hast du Chessie dazu gebracht, dass sie versucht hat, mich umzubringen. Mehrmals.«
    »Natürlich!«, fauche ich. »Die Regie der Battersby-Wünsche zu übernehmen, war die einzige Chance, in die Nähe meiner Mutter zu kommen. Ich musste alle meine Beziehungen spielen lassen, um den Job zu kriegen. Jahrelang habe ich mich auf die Chance gefreut, hier oben zu sitzen und ihr nah zu sein, dieselbe Luft zu atmen wie sie. Und dann bist du gekommen und hast meine Mutter in Beschlag genommen, hast ihre ganze Aufmerksamkeit auf dich gelenkt und damit meine Geschichte kaputt gemacht. Ja, ich habe versucht, dich umzubringen! Du hast es verdient!«
    »Ich stelle fest, dass du jetzt offenbar nicht mehr versuchst, mich umzubringen«, sagt Ralph sarkastisch.
    »Nein«, gebe ich müde zurück. »Ich hab’s wohl aufgegeben.«
    »Warum sagst du ihm nicht klipp und klar, wer du bist?«, fragt Beatrice unbefangen, und genau das liebe ich so an ihr. Sie stellt Fragen in den Raum, die andere nie auszusprechen wagen.
    Ich will ihre Frage beantworten.
    Aber wenn man zu viel wissen will, bekommt man eine Antwort, die einen nicht zufriedenstellt. Schlag die letzte Seite um, und die dahinter wird leer sein, und was dann kommt, sind nur noch langweilige Schlussbemerkungen, ein Strichcode und ein schäbiger Schutzumschlag.
    Ich höre auf zu schreiben und verflüchtige mich, so wie das Buch, die Lampe, die Requistenkammer voller Geschichten und diese letzten Worte.

  
    Vermerk der Narratologischen Gilde:
    Das vorangegangene Kapitel ist das Letzte, in dem der Erzähler ein Minimum an Zuverlässigkeit beweist. Deshalb haben wir alles Weitere gestrichen und verweisen stattdessen auf das Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Qualitätssicherungsausschusses der
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