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Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)

Titel: Die äußerst seltsame Familie Battersby (German Edition)
Autoren: E. Archer
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Charakterbogen eines Level-8-Paladins aus der Geheimtasche seines Rucksacks geklaut hatte.
    Ralph hatte lange an dem Charakter gebastelt. Er hatte gewappnet sein wollen, falls sich eine Dungeons & Dragons -Runde fände, die ihn mitspielen ließe. Auf der Rückseite hatte Ralph die ganze Lebensgeschichte seines Charakters entwickelt. Es dauerte auch nicht lange, da hing das Blatt, mit höhnischen Kommentaren vollgekritzelt, an der Wand des Klassenzimmers. Es war umlagert von Kuchen kauenden Deppen, die sich über den Helden des abwesenden Geburtstagskindes lustig machten. Ritter Helmgart vom Lorbeerkranz gehörte zu dem in Vergessenheit geratenen Orden der Lampenritter. Deren Aufgabe war es, im Königreich Licht zu verbreiten, im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne (Haha!). Es war ein einsamer Kampf, der erst an dem Tag enden würde, an dem der Orden wiedererstünde, gestärkt durch die Priesterinnen von Julanisthra (Julanisthra! Spinner!). Dies geschähe aber erst, wenn die Priesterinnen mittels der richtigen Zauberrunen aus ihrem Schlaf erweckt würden (Zauberrunen! Oh Mann!).
    Als Ralph wieder ins Klassenzimmer kam und seinen mit Filzstiften, Schokolade und Papierkügelchen misshandelten Helden sah, drehte er sich auf dem Absatz um und floh ins Krankenzimmer. Dort versteckte er sich hinter dem großen Glas mit den Zungenspateln. Ein Stück Tür war aus dem Versteck heraus zu erspähen. Durch das Maschendrahtfenster dieser Tür glotzte der höhnisch grinsende Johnny Keenes, brüllte: »Ritter Helmgart vom Lorbeerkranz!« und rannte davon. › Lorbeerkranz‹ , dachte Ralph wütend. Warum habe ich ihn nicht ›Knochenbrecher‹ genannt? Oder ›Stahlherz‹?
    Wieder zu Hause, schrieb Ralph alles auf, was ihm einfiel, um seinen Eltern begreiflich zu machen, wie gemein sie waren. Das wichtigste Argument auf seiner Liste lautete natürlich: Wenn sie ihm erlaubt hätten, sich irgendetwas, wäre es auch noch so blöd, zu wünschen, hätten sie ihm Schmach und Erniedrigung der übelsten Sorte erspart.
    Die Stevens lasen die Liste und hörten sich höflich an, was ihr Sohn wütend gegen sie vorbrachte. Dann gab Mary ihm zwei Schokomuffins, die sie für den Fall, dass sich Ralph in der Schule ausgeschlossen fühlte, in den Brotkasten gelegt hatte. Erst dann redeten die Eltern Klartext.
    Die wahren Gründe für das Wunschverbot waren grausiger als alles, womit Ralph jemals gerechnet hätte. Wünsche, so erklärten sie ihm, hätten nämlich viele seiner Vorfahren umgebracht. Und wer nicht das Leben verloren habe, sei lahm geworden oder auf andere Art verkrüppelt, sei von da an verwirrt gewesen oder einfach nur von der Bildfläche verschwunden. Die Beispiele, die das belegten, hatten es in sich. Margaret Battersby (geb. 1750, gest. 1761) hatte sich Geld wie Heu gewünscht. Am Abend hatte sie sich kopfüber ins Bett gestürzt und sich den Hals beim Aufschlag auf die goldharte Matratze gebrochen. Xavier Battersby (geb. 1752, gest. 1761) vermisste seine Schwester Margaret so sehr, dass er sie sich zurück an seine Seite wünschte. Des Kadavers wegen bekam er eine Infektion, durch die er verstarb. Amy Qualin (geb. 1819, gest. 1841) hatte sich Kinder gewünscht und endete im finanziellen Ruin, nachdem ihr ein über einem Schlundloch erbautes Waisenhaus übertragen worden war. Rupert Battersby (geb. 1830, gest. 1894) hatte sich für Europa Frieden gewünscht, und ganz Preußen verschwand von der Landkarte. Sigmund Seinhold (geb. 1899, gest. 1917) hatte sich gewünscht, besser im Rugby zu werden. Beim nächsten Spiel hatte er dann den Ball so fest getreten, dass er drei Mitspielern ein Loch in den Bauch schoss. Bethany Heald (geb. 1940, gest. 1949) hatte sich Zauberponys gewünscht und war nach langer Suche von selbigen niedergetrampelt worden.
    Die meisten Wünsche, so das traurige Fazit der Eltern, endeten zwar weniger dramatisch, aber nicht minder tragisch: Von der Suche nach Erfüllung seines Wunsches kehrte das betreffende Kind nie mehr zurück.
    Überwältigt von diesen schauerlichen Beispielen, schminkte sich Ralph das mit den Wünschen ab und konzentrierte sich stattdessen auf Festplatten. Er spielte so viele Computerspiele, wie er nur konnte, bastelte unentwegt daran herum und entwickelte seine eigenen Mods, Maps und Dungeons. Klammheimlich bewarb er sich sogar um den Heiligen Gral, den einzigen Job, den er jemals wirklich hatte machen wollen: Game Designer.
    Nicht Programmierer, nein, nein, Designer ! Das ist der
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