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Der Glucksbringer

Der Glucksbringer

Titel: Der Glucksbringer
Autoren: Wilding Lynne
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    Kilbricken in der Grafschaft Offaly
    Irland 1901
     
    J emand klopfte zaghaft an die Hintertür des Cottages. Rosemary, die am Feuer stand und in einem Kessel mit Kaninchenragout rührte, lächelte nachsichtig. Wann immer gegen Abend an die Tür zum rückwärtigen Eingang geklopft wurde, gleich neben der Werkstatt ihres Sohnes, klang es zögernd und geradezu behutsam. Als wäre sich der heimliche Besucher noch unschlüssig, ob er auch wirklich zu ihr wollte. Sie wischte sich die Hände an einem Leinentuch ab und stapfte über die binsengeflochtenen Bodenmatten. Wer mochte das sein? Aha, draußen stand die junge Libby Tomlins in Begleitung ihrer Mutter.
    »Na, was hast du denn auf dem Herzen, Libby?«, fragte sie ohne Umschweife. »Kann ich irgendwas für dich tun?«
    »Mmmmh, ich könnt eins von deinen Zaubermitteln gebrauchen, Rosemary. Ich versuch jetzt seit gut zwei Jahren, ein Baby zu kriegen, aber es klappt einfach nicht. Will und ich strengen uns wirklich ganz doll an«, kicherte die junge Frau. »Du weißt schon, was ich damit meine, nich?«
    Rosemary nickte. Sie wusste auch genau, was Libby brauchte. »Ich zünde eben die Gaslaterne an. Kommt nach hinten in meine Kräuterkammer.«

    Was Rosemary als ihre Kräuterkammer bezeichnete, war ein fensterloser Verschlag mit einem undichten Dach, der sich an eine alte Backsteinmauer schmiegte, mit grob gezimmerten Holzwänden und einer Tür, die dringend einen neuen Anstrich gebraucht hätte. Das Schloss fehlte, aber das war ohnehin völlig überflüssig. Keiner im Dorf hätte es gewagt, ungebeten Rosemarys Allerheiligstes zu betreten. Einmal, kurz nachdem Jerome Westaway seine junge Braut heimgeführt hatte, hatte Ned Kilcare, ein übermütiger junger Kerl, sich dort hineingeschlichen und war erwischt worden. Am nächsten Tag war er an den Pocken erkrankt und dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen. Seitdem munkelten die Dorfbewohner und die Bauern in der Gegend, dass Rosemary Westaway eine weise Frau sei. Als Halbzigeunerin hatte sie von ihren Vorfahren Rezepte für Zaubertränke überliefert bekommen und kannte Amulette und Glücksbringer, Verwünschungen und Beschwörungen. Folglich hielten sich die Dorfbewohner von ihrer »Hexenküche« fern.
    »Ich warte besser draußen«, erklärte Libbys Mutter und zog fröstelnd den Mantel fester um ihre Schultern.
    »Komm ruhig mit rein, hier draußen ist es ungemütlich kalt«, bot Rosemary ihr an und zuckte gleichgültig mit den Schultern, als die Frau hartnäckig den Kopf schüttelte.
    Ihre Tochter Libby verharrte zunächst unschlüssig auf der Schwelle, folgte Rosemary dann jedoch ins Innere. Der flackernde Laternenschein warf zuckende Schatten auf Töpfe und Tiegel, die in unterschiedlichen Größen und Formen auf Borden aufgereiht standen, auf malerisch gebundene Kräutersträuße und Knoblauchzöpfe,
die von den Holzbalken zum Trocknen herabhingen, tauchte Keramikmörser und Stößel in ein gespenstisch diffuses Licht.
    »Ich misch dir eben was Frisches zusammen. Es geht ganz schnell. Setz dich so lange da auf den Schemel, Libby.«
    Die Augen in einer Mischung aus Furcht und Faszination geweitet, beobachtete das junge Mädchen, wie die Zigeunerin konzentriert zu Werke ging. Eigentümliche Gerüche erfüllten den Schuppen, während sie Deckel von Tiegeln hob und eine Prise von diesem, eine Hand voll von jenem sowie einen Spritzer von einer dunklen, unangenehm in der Nase stechenden Flüssigkeit auf ein sauberes Läppchen gab. Als sie damit fertig war, band sie das Tuch mit einem Zwirnfaden zusammen und rollte den Inhalt zwischen ihren Handflächen, derweil sie etwas in einer Sprache flüsterte, die Libby noch nie gehört hatte.
    »Da, fertig.« Lächelnd drückte Rosemary ihr das Beutelchen in die Hand. »Du musst es unter deine Matratze legen – und um Himmels willen kein Wort zu Will. Männer verstehen so was nicht. Und bevor ihr euch liebt«, sie beobachtete, wie Libby errötete, »denk an den Glücksbringer und wie wunderschön es sein wird, wenn du erst dein Baby in den Armen wiegen kannst.«
    »Und... und hilft dieser Talisman denn auch wirklich?«
    Rosemarys Augen brannten sich in die ihren. »Mit diesem Zaubermittel hat es schon bei etlichen Frauen im Dorf geklappt. Wenn du aber an seiner Kraft zweifelst, dann geht dein Wunsch nicht in Erfüllung.«
    »Doch, doch, ich glaub ganz fest dran, Rosemary«,
beteuerte Libby. Sie drückte der Zigeunerin einige Münzen in die wartend geöffnete
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