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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin
Autoren: Toti Lezea
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Arbeiten veranlassen, um die Örtlichkeiten ihrer neuen Bestimmung anzupassen, und sich darum kümmern, dass es nie an Brennholz fehle, um das riesige Gebäude zu wärmen.
    Sie erinnerte sich, wie der Schreiber Juan Manchuca ihr vor dreizehn Jahren, am elften September 1525, die Schlüssel nebst einer ausführlichen Liste aller Schlösser, Riegel und Türketten des königlichen Besitzes überreicht hatte.
    Wie sollte sie das Gefühl beschreiben, das sie empfunden hatte, als sie über die marmornen Böden schritt und die reich getäfelten Decken und die stuckverzierten Wände betrachtete? Sie hatte mit den Fingerspitzen über die geschnitzten Türen gestrichen und war durch den Garten spaziert, in dem früher Könige und Adlige gelustwandelt waren. Sie hatte das Gefühl gehabt, etwas in Besitz zu nehmen, das ihr von Rechts wegen zustand. Die beiden Marías waren Königstöchter, und von nun an würden sie in einem königlichen Palast leben.
    Lange Zeit verlief das Leben in ruhigen Bahnen; nur einmal wurde María die Jüngere auf Befehl des Königs nach Pedralbes in der Grafschaft Barcelona gesandt, um ein Klarissenkloster zu reformieren. María glaubte, dass sie sich bis ans Ende ihrer Tage in der friedlichen Stille ihres geliebten Klosters der Verwaltung, dem Gebet und den von ihr so geliebten Büchern widmen könne.
    Es geschah nach einigen Monaten der Dürre. Kastilien war ausgetrocknet, der Regen blieb aus und die wasserreichsten Flüsse waren kaum mehr als dünne Rinnsale. Die Frühjahrssaat vertrocknete und das Obst verdorrte, ohne reif zu werden. Eine Hungersnot stand bevor, und zum ersten Mal seit vielen Jahren fehlte das Brot auf dem Tisch.
    Inés schrieb ihr in einem Brief, dass sich der Wassermangel auch im Norden bemerkbar mache. Es ging ihnen nicht so schlecht wie in anderen Teilen des Landes, da sie noch den Fischfang hatten und die Schiffe, die aus anderen Ländern kamen, reichlich Pökelfleisch und Getreide mitbrachten. Sie und die Ihren litten keinen Mangel, und María freute sich für sie.
    Es war über zwanzig Jahre her, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, aber sie führten einen regen Briefwechsel. Inés und Gonzalo hatten zwei wunderbare Söhne bekommen, Pedro und Lope. María hatte Gelegenheit gehabt, die Knaben während eines Besuchs in Begleitung des guten Don Alvaro Fernández kennen zu lernen. Ihre Freunde waren so glücklich wie am Tag ihrer Hochzeit und hofften, zusammen alt zu werden, umgeben von zahlreichen Enkelkindern.
    Ihre Kusine hielt sie auch über die Ereignisse in jener Stadt auf dem Laufenden, die während einiger Wochen, die schon in so weiter Ferne lagen, auch die ihre gewesen war. Der alte Tristán Díaz de Leguizamón war vor einiger Zeit gestorben und hatte seinem Sohn zahlreiche Ländereien und ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Er war einer der einflussreichsten und wohlhabendsten Männer der Grafschaft Biskaya geworden. Der Kaiser hatte ihn wegen seiner großen Verdienste und seiner Treue zur Krone zu seinem Pagen und zum Komtur des Jakobsordens ernannt. Bei öffentlichen Auftritten spreizte er sich wie ein Pfau. Außerdem war er Lanzenkapitän in Italien, und schließlich ernannte Karl ihn zum Propst von Bilbao auf Lebenszeit. Er hatte eine steile Karriere gemacht, und sein Vater wäre stolz auf ihn gewesen.
    Einige Wochen, nachdem sie Inés’ letzten Brief erhalten hatte, kamen zwei Männer in einer vierspännigen Kutsche nach Madrigal. Einer der Männer, der ältere, war stark bewaffnet und überreichte María ein Schreiben von Gonzalo. Darin bat dieser sie, unverzüglich nach Bilbao zu kommen, Inés sei schwer krank und es sei ihr innigster Wunsch, sie vor ihrem Tod noch einmal zu sehen.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie den Bewaffneten.
    »Auf die Dürre folgte der Regen«, erzählte dieser. »Die Regenfälle ließen den Fluss über die Ufer treten und überfluteten die Stadt. Noch nie in meinem Leben habe ich so etwas gesehen. Die Mauern konnten das Wasser nicht aufhalten, das in die Straßen und auf die Plätze strömte. Die Ratten kamen aus ihren Löchern, machten sich in Scharen über die Kornspeicher her und verursachten die Schlimmste aller Plagen, die Pest. Doña Inés pflegte die Siechen, bis die Krankheit sie selbst niederwarf. Unser Herr hat uns gesandt, um Euch so schnell wie möglich nach Bilbao zu bringen.«
    Die Pest! Eine der sieben ägyptischen Plagen, mit denen Gott seine Feinde geschlagen hatte, hatte die Stadt heimgesucht und
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