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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin
Autoren: Toti Lezea
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ist.«
    »Sei unbesorgt.« María lächelte. »Um mir den Garaus zu machen, braucht es ein wenig mehr als die Pest.«
    Inés lachte und bekam vor Anstrengung einen Hustenanfall. Sie spuckte eine große Menge Blut. Die Äbtissin nahm eine Schüssel und ein Tuch und wusch die Kranke ab, ohne sich um ihren schwachen Protest zu kümmern. Als alles wieder in Ordnung gebracht war, zog sie einen Stuhl ans Bett, setzte sich und hielt der Kranken die Hand.
    »Wisst Ihr, wir haben zwei prächtige Söhne. Bevor die Pest ausbrach, änderte Pedro, der als der Ältere unser Erbe ist, im Einvernehmen mit seinem Vater und mir seinen Namen, damit das Haus der Larrea weiter besteht und der Name nicht untergeht. Nun heißt er Pedro González de Larrea.«
    María war tief bewegt. Als sie damals erfahren hatte, dass ihr Name Aragón war, hatte sie vor lauter Stolz vergessen, dass Larrea der erste Name gewesen war, der ihr mit der Geburt gegeben wurde. Die Familie ihrer Mutter hatte sie angenommen und anerkannt, sie hatten sich ihrer Geburt nicht geschämt. Wenn die Dinge anders gelaufen wären, wäre sie mit dem Namen María de Larrea aufgewachsen. Sie war Inés und ihrem Mann dankbar für die Treue, die sie ihr und all ihren Vorfahren gegenüber bewiesen, die dafür gekämpft und gearbeitet hatten, ein Erbe zu schaffen und zu erhalten, das eines biskayischen Adelsgeschlechts würdig war.
    »Am meisten bedaure ich, Doña María, dass ich meine drei Männer zurücklassen muss, die ich so sehr liebe. Obwohl sie so stark wirken, weiß ich, dass sie mich brauchen. Vor allem mein geliebter Gonzalo. Ich weiß nicht, was aus ihm werden soll, wenn ich nicht mehr bin…«
    »Denk nicht daran und überlasse es Gott, sich darum zu sorgen.«
    »Noch etwas…« Ihre Stimme versagte für einen Moment. »Bevor das alles passierte, die Dürre, die Flut, die Pest, fand ich etwas in einem Kästchen, das in dem kleinen Tischchen versteckt war, das dort am Fenster steht. Es gehörte Eurem Onkel.«
    María wandte sich um und betrachtete das Möbelstück. Es war ein zierlich geschnitzter, schwarz, rot und blau bemalter Sekretär, der eher zu einem jungen Mädchen gepasst hätte als zu einem gestandenen Mann wie Don Pedro de Larrea.
    »Er muss Eurer Mutter gehört haben«, fuhr Inés fort, »denn ich fand darin ein kleines Kästchen mit einigen Gedichten und einem von ihrer Hand geschriebenen und unterzeichneten Brief. Ich hätte es Euch zukommen lassen, doch Ihr seht ja, dass es mir unmöglich war. Es ist dort drüben auf dem Tisch.«
    Auf dem Tischchen neben dem Bett stand ein kleines Holzkästchen, auf dessen Deckel eine fliegende Taube gemalt war. María betrachtete es, wagte jedoch nicht, die Hand danach auszustrecken.
    »Seid Ihr nicht neugierig zu erfahren, was in diesen Papieren steht? Ich schwöre Euch, dass ich sie nicht gelesen habe«, setzte die Kranke launig hinzu. »Ich habe sie lediglich überflogen, um herauszufinden, wem sie gehörten und…«
    Der Husten unterbrach sie jäh, und als sie sich wieder beruhigte, konnte María feststellen, dass sie noch blasser geworden war und kaum Luft bekam. Beunruhigt ging sie hinaus und rief nach Gonzalo. Er war sofort bei ihr, begleitet von seinen beiden Söhnen. Als María ihre verängstigten Gesichter und ihre tränengefüllten Augen sah, gab es ihrem Herzen einen Stich. Sie wollte aus dem Zimmer gehen und die Familie alleine lassen, die vielleicht zum letzten Mal versammelt war, als sie Inés’ Stimme hörte.
    »Kusine, María… Geht nicht weg. Ihr gehört zu uns, dies ist Eure Familie und hier ist Euer Platz.«
    Sie kehrte ans Bett der Sterbenden zurück und umarmte sie.
    »Ich liebe dich, meine Tochter«, flüsterte sie.
    »Ich dich auch, Mutter.«
    Inés starb in den frühen Morgenstunden, umgeben von den Menschen, die sie am meisten liebte. Diesmal gab es keine Gauila, denn eine Anordnung des Stadtrats befahl, die Pesttoten unverzüglich zu verbrennen oder zu beerdigen, und so geschah es auch bei ihr.
    Noch am selben Tag ordnete María mithilfe einer Dienerin die Hinterlassenschaft der Verstorbenen. Sie verbrannte die Laken sowie sämtliche Nachtwäsche, Hemden und Leibwäsche. Kleider, Röcke, Mieder, Umhänge und Schuhe schickte sie an das Kloster La Encarnación, damit sie an die Bedürftigen verteilt würden. Ihren Schmuck und persönliche Gegenstände tat sie in eine kleine Holzschatulle und übergab sie Gonzalo, der nicht aufhörte, untröstlich zu weinen. Dann nahm sie das bemalte
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