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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung
Autoren: Philip Kerr
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aus dem gleichen Stoff gemacht war wie die Balustraden und das Treppenhaus hinter der Sektionstür. Er reicht mir die Hand, die kalt war wie Eisen.
    Schuchardt war ein attraktiver Mann, wenn man Männer mit weißblonden Haaren und hellblauen Augen attraktiv findet. Ich war selbst blond und blauäugig und betrachtete ihn als eine Art verbesserte Nazi-Version meiner selbst. Ein Herrenmensch und nicht ein bemitleidenswerter Fritz mit einer jüdischen Freundin. Andererseits war Frieda ein ziemlich großzügiger Trostpreis.
    Schuchardt führte mich in sein kleines Büro und schloss die Tür mit der großen Milchglasscheibe hinter uns. Wir waren allein mit einem kleinen Holzschreibtisch, einem ganzen Panzerverband von Aktenschränken und einem hübschen Ausblick auf den Garten hinter dem Gestapo-Hauptquartier, wo ein Gärtner sich geflissentlich um die Blumenbeete beugte.
    «Kaffee?»
    «Gerne.»
    Schuchardt steckte einen Tauchsieder in einen Becher mit Leitungswasser. Er schien sich über mein Auftauchen zu amüsieren, denn sein falkenartiges Gesicht zeigte einen Ausdruck, als hätte er zum Frühstück mehrere Spatzen verspeist.
    «So, so, so», sagte er. «Bernie Gunther. Ist eine Weile her ... zwei Jahre, wie?»
    «Kann schon sein.»
    «Arthur Nebe ist auch hier. Er ist stellvertretender Sektionschef. Ich wage zu behaupten, dass noch einige andere Leute hier arbeiten, die Sie kennen. Ich persönlich habe ja nie verstanden, warum Sie die Kripo verlassen haben.»
    «Ich hielt es für besser zu gehen, bevor ich rausgeworfen wurde.»
    «Da irren Sie sich aber gewaltig, denke ich. Die Partei bevorzugt herausragende Kriminalisten, wie Sie einer sind, gegenüber den Mitläufern, die auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind und verborgene Motive haben.» Sein rasiermesserscharfer Nasenrücken legte sich in missvergnügte Falten. «Abgesehen davon haben wir immer noch eine Reihe von Beamten bei der Kripo, die der Partei nicht beigetreten sind. Sie werden gerade dafür respektiert. Ernst Gennat ist so ein Beispiel.»
    «Vermutlich haben Sie recht.» Ich hätte all die guten Kripo-Beamten erwähnen können, die im Verlauf der Säuberungsaktion von 1933 rausgeworfen worden waren: Kopp, Klingelhöller, Rodenberg und wie sie alle heißen. Doch ich war nicht hier, um mich auf eine Diskussion über Politik einzulassen. Ich steckte mir eine Muratti an, füllte meine Lungen mit dem Rauch und wartete einige Sekunden, während ich überlegte, ob ich es tatsächlich wagen konnte, Otto Schuchardt gegenüber den eigentlichen Zweck meines Besuchs zu erwähnen.
    «Entspannen Sie sich, alter Freund», sagte er und reichte mir einen Becher mit überraschend wohlschmeckendem Kaffee. «Schließlich waren Sie es, der mir geholfen hat, die Uniform abzulegen und bei der Kripo anzufangen. Ich vergesse meine Freunde nicht.»
    «Ich freue mich, das zu hören.»
    «Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass Sie hergekommen sind, um jemanden anzuschwärzen. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ein Denunziant sind. Also, was kann ich für Sie tun?»
    «Ich habe eine Freundin», begann ich. «Sie ist eine gute Deutsche, aber sie ist auch Jüdin. Sie ist für Deutschland bei der Olympiade in Paris angetreten. Sie ist nicht religiös, und sie ist mit einem Nicht-Juden verheiratet. Sie möchte Berlin verlassen. Ich hoffe, ich kann sie überreden, sich das anders zu überlegen. Ich frage mich, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, offiziell ihr Judentum zu vergessen oder zu ignorieren. Sie haben sicher selbst gehört, dass gelegentlich derartige Dinge geschehen.»
    «Tatsächlich?»
    «Nun ja ... ich denke, schon.»
    «Ich würde derartige Gerüchte nicht gedankenlos weitergeben, wäre ich an Ihrer Stelle. Ganz gleich, wie wahr sie sein mögen. Sagen Sie mir doch, wie jüdisch ist Ihre Freundin?»
    «Wie ich bereits sagte, sie hat Deutschland bei der Olympiade in ...»
    «Nein, ich meinte ihre Abstammung. Das Blut. Verstehen Sie, das ist es, was dieser Tage zählt. Ihre Freundin könnte aussehen wie Leni Riefenstahl und mit Julius Streicher verheiratet sein, und nichts davon wäre von Bedeutung, wenn sie von jüdischem Blut wäre.»
    «Ihre Eltern sind beide jüdisch.»
    «Dann kann ich nichts tun, um ihr zu helfen. Mehr noch, ich muss Ihnen dringend raten, ihr nicht zu helfen. Sie will Berlin verlassen, sagen Sie?»
    «Sie glaubt, dass es in Hamburg besser ist.»
    «Hamburg?» Diesmal war Schuchardt ehrlich amüsiert. «Ich kann mir irgendwie nicht
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