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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung
Autoren: Philip Kerr
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Ami unternimmt eine Tour durch Berlin, um zu entscheiden, ob die Stadt sich in zwei Jahren als Austragungsort der Olympischen Spiele eignet.»
    «Westlich von Charlottenburg gibt es zweitausend Arbeiter, die den starken Eindruck haben, dass die Spiele bereits stattfinden.»
    «Es scheint, dass viele Amerikaner dafür sind, wegen der antisemitischen Haltung unserer Regierung, die Olympiade in Deutschland zu boykottieren. Der Ami ist hier, um festzustellen, ob in Deutschland jüdische Mitbürger diskriminiert werden.»
    «Ich muss sagen, ich bin überrascht, dass er dafür in einem Hotel absteigen musste.»
    Rolf Kuhnast erwiderte mein Grinsen. «Nach allem, was ich gehört habe, ist es eine bloße Formalität. Zurzeit ist er oben in einem unserer Veranstaltungsräume und studiert die Faktenlage, das heißt die Dokumente, die das Propagandaministerium für ihn zusammengestellt hat.»
    «Ah, diese Fakten. Wir wollen ja nicht, dass irgendjemand einen falschen Eindruck von Hitler-Deutschland bekommt, oder? Es ist schließlich nicht so, dass Sie oder ich irgendwas gegen die Juden in dieser Stadt hätten. Es ist nur so, dass die Stadt von ganz bestimmten Leuten regiert wird.»
    Es fiel mir schwer, wie der Amerikaner die antijüdischen Maßnahmen der neuen Regierung zu ignorieren - überall in der Stadt gab es so zahlreiche ungeheuerliche Beispiele. Nur ein Blinder konnte die derben Zeichnungen auf den Titelseiten der Naziblätter übersehen, die Davidsterne auf den Schaufenstern von Geschäften in jüdischem Besitz und die «Nur für Deutsche!»-Schilder an den Eingängen zu den öffentlichen Anlagen und Parks - ganz zu schweigen von der realen Angst in den Augen eines jeden Juden im «Vaterland».
    «Brundage - das ist der Name des Amis ...»
    «Klingt irgendwie deutsch ...»
    «Er spricht kein Wort unserer Sprache», sagte Kuhnast. «Solange er keinen englisch sprechenden Juden begegnet, sollte alles glattlaufen.»
    Ich sah mich im Palmenhof um.
    «Wieso? Besteht denn die Gefahr, er könnte so etwas tun?»
    «Ich wäre überrascht, wenn im Umkreis von hundert Metern um dieses Haus auch nur ein einziger Jude zu finden wäre - Brundage bekommt hohen Besuch ins Excelsior.»
    «Doch wohl nicht vom Führer?»
    «Sein dunkler Schatten.»
    «Der Stellvertreter des Führers kommt ins Excelsior? Hoffentlich haben Sie die Toiletten gereinigt.»
    Unvermittelt unterbrach das Orchester sein Stück und stimmte die Nationalhymne an. Die Hotelgäste sprangen von ihren Plätzen auf, ihre ausgestreckten rechten Arme zeigten in Richtung Eingangshalle. Mir blieb gar keine andere Wahl, als es ihnen gleichzutun.
    Und tatsächlich, umgeben von seiner sa-Leibwache und Gestapo-Schergen kam Rudolf Heß in der braunen Uniform der sa in das Hotel marschiert. Er hatte ein grobes Gesicht, das an eine Fußmatte erinnerte, aber irgendwie weniger einladend war. Er war mittelgroß und schlank mit dunklem, lockigem Haar und einer transsilvanischen Stirn, den tiefliegenden Augen eines Werwolfs und einem Mund mit Lippen, die so schmal waren wie Rasiermesser. Indem er unsere patriotische Begrüßung flüchtig erwiderte, durchquerte er die Halle und polterte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf. Mit seiner beflissenen Ausstrahlung erinnerte er mich an einen Schäferhund, der von seinem ostmärkischen Herrn von der Leine gelassen worden war, um dem Amerikaner vom Olympischen Komitee die Hand zu lecken.
    Wie es der Zufall wollte, würde mir ein ähnliches Schicksal blühen. Auch ich würde jemandem die Hand lecken müssen - und zwar die Hand eines dieser Gestapo-Typen.
     

Kapitel 3
    Als Hausdetektiv des Adlon wurde von mir erwartet, dass ich Diebesgesindel und Mordbuben den Zugang zum Hotel verwehrte. Doch das konnte sich als schwierig erweisen, wenn die Diebe und Mörder Parteioffizielle der Nazis waren. Einige, beispielsweise Wilhelm Frick, der Reichsminister des Inneren, hatten sogar eine Gefängnisstrafe abgesessen. Das Ministerium befand sich Unter den Linden, gleich um die Ecke vom Adlon, und Frick, ein echter bayrischer Dickschädel mit einer Warze im Gesicht und einer Freundin, die zufällig die Ehefrau eines prominenten Nazi-Architekten war, ging im Hotel ein und aus. Seine Freundin wahrscheinlich auch.
    Genauso schwierig für einen Hoteldetektiv war die starke Fluktuation beim Personal, wo ehrliche, hart arbeitende Menschen, die zufallig Juden waren, durch Leute ausgetauscht wurden, die sich als sehr viel weniger ehrlich und fleißig
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