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Die Abaddon-Mission (German Edition)

Die Abaddon-Mission (German Edition)

Titel: Die Abaddon-Mission (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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Bildhauer inspiriert hatte, ohne daß ihre Meiste r schaft imstande gewesen wäre, mehr als nur eine Ahnung seiner Schönheit wiederzugeben. Und doch waren auch diese unvollkommenen Nachbildungen zu Symbolen geworden, die von den Gläubigen ve r ehrt und angebetet wurden.
    Was Manuel in diesem Gesicht sah, war Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung.
    Und es überbrachte eine Botschaft, die auch der  Tod nicht hatte auslöschen können:
     
    DIE LAST WIRD VON EUREN SCHULTERN GENOMMEN WERDEN. FÜRCHTET EUCH NICHT!
     
    Manuel erinnerte sich plötzlich, wie er sich als Kind in der Cangrejo-Schlucht verirrt hatte. Eine der ja i ras war weggelaufen, und Manuel hatte sie g e sucht. Doch er hatte weder die Ziege noch den Rückweg gefunden und war umhergeirrt, bis es du n kel wurde. Erschöpft und frierend hatte er schlie ß lich in einer Felsspalte Schutz gesucht und war sich sicher gew e sen, daß er die Nacht nicht überleben würde. Doch dann hatte er Stimmen und das Gebell der bardinos gehört und gewußt, daß alles gut we r den würde. Trotz seiner Erleichterung hatte Manuel damals die ganze Nacht hindurch geweint, und so weinte er auch jetzt.
    Die Tränen lösten seine Erstarrung, und der Druck um seinen Brustkorb ließ ein wenig nach. Doch selbst die Hoffnung auf Vergebung konnte seine Abscheu vor dem, was er getan hatte, nicht mildern.
    »Warum sind sie hierher gekommen, warum zu uns?« rief er verzweifelt.
    Er ahnte die Antwort, und so klang die Stimme der Frau hinter ihm wie das Echo seiner eigenen Geda n ken: »Vielleicht war es der letzte Ort der Welt, zu dem sie gehen konnten ...«
    »Ich hatte Angst«, flüsterte Manuel beschämt.
    »Ich weiß«, erwiderte Evita ruhig. »Ihr Männer fürchtet euch vor vielen Dingen. Und dann besorgt ihr euch Waffen und macht alles noch schlimmer.«
    »Nicht um mich«, versuchte der Mann sich zu rech t fertigen. »Ich hatte Angst, daß sie dir etwas antun könnten.«
    »Du bist ein Dummkopf, Manuelito. Nicht einmal ein Betrunkener würde sich an einem alten Weib wie mir vergreifen.«
    Evita lächelte nicht, doch in ihren Augen lag ein Schimmer jener Zärtlichkeit, für die der Mann sie ein Leben lang geliebt hatte.
    »Du weinst ja, Manuelito«, sagte Evita als sie ihm aufhalf. »Ich habe dich noch nie weinen sehen.«
    Der Mann sagte nichts.
    Als er wieder sprechen konnte, fragte er zaghaft: »Ob ER mir vergeben wird, daß ich dich mehr g e liebt habe als IHN?«
    Die Frau schaute auf das von stillem Glanz erfül l te Gesicht der Heiligen und lächelte: »Welche An t wo r ten brauchst du noch, Manuelito?«
    Dann nahm sie ihren Mann in die Arme und hielt ihn fest.
     
    ***
    So standen sie auch noch, als die Zielerfassungsei n heit der »TOPOL-M«-Trägerrakete, die auf Grund eines Computerfehlers mit zehntägiger Ve r spätung gestartet war, ihren 900 Kilogramm schweren N u klearsprengsatz über der Insel auslöste.
    Weißes Licht flutete über das Land, und als es ve r ging, hüllte Dunkelheit die geschundene Erde ein wie eine Mutter ihr müdes Kind.
     

Das Große Rennen
     
    Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
    So müd geworden, daß er nichts mehr hält.
    Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gebe
    Und hinter tausend Stäben keine Welt.
                                                            Rainer Maria Rilke
     
    Der Mann lief.
    Vier Schritte, einatmen. Drei Schritte, ausatmen.
    Immer der gleiche Rhythmus. 
    Wenn er ihn änderte, bekam er mit Sicherheit Se i tenstechen.
    Der Mann wußte nicht, wie lange er schon lief, und er wußte auch nicht, wie lange er noch würde laufen müssen. Es gab nur diesen Tag, und es gab nur diese Etappe.
    Natürlich wußte der Mann, daß das Rennen i r gendwann zu Ende sein würde, doch er hatte längst au f gehört, nach dem Ziel zu fragen.
    Die Antwort war ohnehin immer gleich: Kopfschü t teln und erstaunte Blicke.
    Niemand fragte nach dem Ziel.
    Erst recht niemand, der schon so lange unterwegs war wie er.
    Wenn der Mann sich mit den anderen Läufern seines Teams unterhielt, dann nur über Dinge, die eigen t lich ohne Belang waren. 
    Über die Qualität der Getränke an der Verpfl e gung s stelle zum Beispiel oder darüber, was sie am näc h sten Ruhetag unternehmen würden. Auch über die Unterkünfte wurde gesprochen, und wie großa r tig die Aussicht von den höheren Stockwerken sei. D a bei spielte die Aussicht überhaupt keine Rolle, denn wenn die Läufer am Abend mit
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