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Die Abaddon-Mission (German Edition)

Die Abaddon-Mission (German Edition)

Titel: Die Abaddon-Mission (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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Mann nachdenklich und ein wenig traurig.
    Er begann, die anderen Läufer genauer zu beobac h ten, und wenn er in ihren Augen einen Funken Nachdenklichkeit oder Interesse entdeckte, sprach er sie an.
    Die Gespräche bestätigten ihm, was er längst g e ahnt hatte. Niemand wußte, wo das Ziel war und wie es aussah. Manche glaubten daran, andere nicht.
    Jetzt begann er auch die Männer mit den zornigen Augen zu verstehen. Wenn es kein Ziel gab, wozu sollte man dann noch laufen? Doch dem Mann fehlte der Mut, es ihnen gleichzutun. Noch hatte er etwas zu verlieren. Er hatte keine Sehnsucht nach schmu t zigen, verräucherten Kellern, Ausnüchterungszellen und Schlafkumpanen mit alkoholgeschwängertem Atem.
    Während er lief, dachte er darüber nach, wie wohl die Landschaft hinter den bunten Werbetafeln und  grauen Betonmauern aussehen mochte. Er erinnerte sich daran, wie sie als Kinder manchmal über die Fangzäune geklettert und in den Wald gelaufen w a ren. Mit klopfenden Herzen waren sie unter das schützende Dach der riesigen Fichten eingetaucht, wo es selbst im Hochsommer angenehm kühl war und ganz anders roch als in der Stadt. Manchmal hatten sie über das Rennen gesprochen. Über Läufer, deren Namen heute kaum noch jemand kannte, und über die Siege, die sie erringen würden, wenn sie erst alt genug wären, um mitlaufen zu dürfen. Ob es ihn wohl noch gab, diesen Wald der großen Verhe i ßungen?   
    Der Mann lief immer weiter.
    Doch er hörte nicht auf, Fragen zu stellen. Sich selbst und anderen. Er hatte so viel nachzuholen ...
    Wenn er jetzt einen der erschöpften, mutlosen Männer überholte, die so lange an der Spitze gela u fen waren, empfand er keine Schadenfreude mehr, so n dern nur noch Mitleid.
    Und wenn die Jüngeren, Ehrgeizigen mit ke u chendem Atem an ihm vorbeizogen, lächelte er nachsic h tig und machte ihnen Platz. Er wußte längst, daß die Zeit seiner Erfolge – oder dessen, was er dafür gehalten hatte – vorbei war.
    Dennoch lief er weiter.
    Seine Lungen schmerzten, und an den Anstiegen wurde ihm schwindlig.
    Vier Schritte, einatmen. Drei Schritte, ausatmen.
    Immer der gleiche Rhythmus. 
    Stunde reihte sich an Stunde, Tag an Tag, Monat an Monat, bis etwas geschah.
     
    ***
    Normalerweise schlief der Mann tief und trau m los, doch in jener Nacht wachte er plötzlich auf und fand sich auf der Rennstrecke wieder. Er lag hilflos am Boden und starrte nach oben auf die Gesichter der vorbeiziehenden Läufer. Die wenigsten nahmen N o tiz von ihm, wenn man von der Tatsache absah, daß sie einen kleinen Bogen liefen, um ihm nicht zu n a he zu kommen. Der Mann versuchte, sich aus se i ner demütigenden Lage zu befreien und stellte e r schrocken fest, daß er außerstande war, sich zu b e wegen. Das Unheimliche daran war, daß er die Ko n trolle über seinen Körper so vollkommen verloren hatte, daß er ihn nicht einmal mehr spürte. Niemand schien sich um ihn zu kümmern, und es war kalt.
    Trotz unzähliger Etappen, die er bei Schnee und Eis zurückgelegt hatte, konnte der Mann sich  nicht erinnern, jemals so gefroren zu haben. Mögliche r weise waren seine Glieder längst abgestorben, aber woher kam dann das Gefühl der Kälte? Und wo blieben die Sanitäter?
    Es gab nichts außer den trommelnden Schritten der Vorbeilaufenden, der Kälte und seiner Angst.
    Ängste waren dem Mann durchaus vertraut, hatten ihn sein Leben lang begleitet: Die Angst vor dem Versagen, vor einem Sturz, vor Krankheiten und vor dem Tod. Doch im Grunde seines Herzens hatte er immer daran geglaubt, daß letztlich alles gut werden würde.
    Jetzt – während sich die Kälte in seinen Körper fraß – war er sich dessen allerdings nicht mehr so sicher.
    Das flackernde Blaulicht eines rasch näherko m me n den Rettungswagens riß den Mann aus seinen Übe r legungen. Also waren die anderen doch nicht so gleichgültig, wie er befürchtet hatte.
    Erwartungsvoll schaute er den beiden Sanitätern mit ihren signalroten Westen entgegen, bis er ihre G e sichter sah. Es waren die Gesichter von Männern, die eine lästige Pflicht zu erfüllen hatten, und in i h ren Augen stand keinerlei Mitgefühl. Der Kleinere, ein muskulöser Gnom mit dem hochroten Gesicht des Hypertonikers, griff nach dem Handgelenk des Mannes, während der andere ihm mit einer kleinen Stablampe in die Augen leuchtete. Keiner der beiden  machte Anstalten, mit ihm zu sprechen.
    Als sie ihre flüchtige Untersuchung beendet ha t ten, entfernte sich der Kleinere mit
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