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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition)
Autoren: Matthew Quirk
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Junior College, dann zwei Jahre an der Florida State University. Zweimal Jahrgangsbester. Fast perfekter Zulassungstest fürs Jurastudium. Und jetzt Doppelstudium an der Harvard Kennedy School und Harvard Law School. Und …« Er schaute auf ein anderes Blatt. »… Sie machen das Studium in drei statt in vier Jahren. Wie bezahlen Sie das?«
    »Darlehen.«
    »Etwa hundertfünfzigtausend Dollar?«
    »Mehr oder weniger. Außerdem arbeite ich als Barkeeper.«
    Davies schien die Ringe unter meinen Augen zu taxieren. »Wie viele Stunden pro Woche?«
    »Vierzig, fünfzig.«
    »Neben der Uni.« Er schüttelte den Kopf. »Bei der Frage vorhin, was Princip angetrieben hat, haben Sie ziemlich richtig gelegen. Deshalb meine Frage an Sie: Was hat Sie getrieben?«
    Offenbar war das jetzt ein Bewerbungsgespräch. Ich dachte an die üblichen Plattitüden über mein Arbeitsethos, ver suchte meinen inneren Ehrgeizling hervorzukramen, aber eigentlich wusste ich nicht recht, wie ich reagieren sollte. Davies machte es mir leicht.
    »Und verschonen Sie mich mit dem üblichen Bockmist«, sagte er. »Nach dem, was Sie eben im Seminar gesagt haben, scheinen Sie tatsächlich was über das wirkliche Leben zu wissen, darüber, was die Menschen antreibt. Deshalb wollte ich Sie sprechen. Was treibt Sie an?«
    Er würde es früher oder später sowieso herausfinden, also dachte ich mir, dass ich es auch gleich hinter mich bringen könnte. Aus meinen Akten war es gestrichen worden, aber ich wurde es doch nie ganz los. Irgendwie fanden es die Leute immer heraus, zum Beispiel die Partner von Damrosch und Cox. Sie hatten es wahrscheinlich gerochen.
    »Als junger Bursche hatte ich ein paar Scherereien«, sagte ich. »Der Richter hat mir eine einfache Wahl gelassen: Knast oder Armee. Die Navy hat mich zurechtgestutzt, die Disziplin hat gewirkt. Ich mochte die Routine, den Antrieb. Das habe ich mit aufs College genommen.«
    Er nahm die Papiere vom Schreibtisch, ließ sie in seine Aktentasche fallen und stand auf. »Gut«, sagte er. »Mir ist es lieber, wenn ich weiß, mit wem ich zusammenarbeite.«
    Ich schaute ihn erstaunt an. Mit wem ich zusammenarbeite . Beim ersten Hinweis darauf, wer ich wirklich war, setzten mich die Leute normalerweise vor die Tür (»Schwierige Wirtschaftslage« oder »Leider nicht das, was wir gesucht haben«). Davies nicht.
    »Sie werden für mich arbeiten«, sagte er. »Sie fangen mit zweihundert im Jahr an. Dreißig Prozent Leistungsprämie.«
    »Ja.« Ich hörte meine Stimme, noch bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte.
    In jener Nacht schlief ich in meiner leeren Wohnung auf einer pfeifenden Luftmatratze. Alle zwei Stunden musste ich aufstehen und sie wieder aufpumpen. Das Morgengrauen ließ auf sich warten, und ich weiß noch, was mir irgendwann aufging: Als Davies gesagt hatte, dass ich in DC arbeiten würde, war das eine Feststellung gewesen, keine Frage.

2
    E in Mahagonispind ist kein Sarg, aber nach vier Stunden Gefangenschaft fühlte er sich allmählich eindeutig wie einer an. Trotzdem fand ich keine Ruhe. Das mag damit zu tun haben, dass die meisten Menschen in ähnlicher Situation auf dem Rücken liegen und tot sind. Irgendwann fand ich heraus, dass ich meinen Kopf nach hinten lehnen und in eine Ecke klemmen und so ein bisschen dösen konnte.
    Die Geschichte, wie ich in der Kiste gelandet war, ist ein bisschen kompliziert. Die Kurzfassung ist, dass ich einem Mann namens Ray Gould nachstellte, weil ich verliebt war – im Besonderen in ein Mädchen namens Annie Clark, im Allgemeinen in meinen neuen Job.
    Ich arbeitete seit knapp vier Monaten für die Davies Group. Die Firma war ein merkwürdiges, mit Absicht undurchsichtiges Gebilde. Wenn man nachfragte, erzählten sie einem etwas von Regierungsangelegenheiten und strategischer Beratung. Was gewöhnlich ein Euphemismus für Lobbyarbeit war.
    Wenn man sich einen Lobbyisten vorstellt, sieht man wahrscheinlich den zu diesem Zweck eingekauften und bezahlten, Slipper mit Quaste tragenden Dreckskerl vor sich, der Bestechungsgelder von Firmen und Interessengruppen an Politiker weiterleitet, für sich selbst einen großzügigen Batzen abzweigt und so letztendlich dafür sorgt, dass der Welt Lungenkrebs und vergiftete Flüsse erhalten bleiben. Solche Figuren gibt es jede Menge. Das Powerplay der Sechziger und Siebziger, als Geld und Nutten in Blüte standen, war allerdings lange vorbei. Heute bringen Lobbyisten ihre Tage damit zu, sich durch
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