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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition)
Autoren: Matthew Quirk
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Powerpoint-Präsentationen über obskure Strategien zu klicken, während der gelangweilte Mitarbeiternachwuchs der Kongressabgeordneten unter dem Tisch auf dem Blackberry surft.
    Diese Typen sind der Pöbel. Sie mit den Leuten bei der Davies Group zu vergleichen hieße, Modeklunker mit Tiffany und Cartier zu vergleichen. Davies gehört zu einer Handvoll Unternehmen, die nur sehr wenig offizielle Lobbyarbeit machen. Sie werden von Schwergewichten aus Washington geleitet – ehemaligen Präsidenten des Repräsentantenhauses, ehemaligen Außenministern, ehemaligen Nationalen Sicherheitsberatern – und üben über DCs informelle Informationskanäle eine weitaus mächtigere und lukrativere Spielart von Einfluss aus. Sie sind nicht als Lobbyisten registriert. Sie setzen nicht auf Masse. Sie machen keine Werbung. Sie haben Beziehungen . Sie sind diskret. Und sie sind sehr, sehr teuer. Wenn man wirklich etwas erledigt haben will in Washington und das nötige Geld hat und die Leute kennt, die man kennen muss, um auch nur eine Empfehlung für eine dieser Topfirmen zu bekommen, dann wendet man sich an die.
    Und die Davies Group bildet den Gipfel dieser intimen kleinen Welt. Versteckt zwischen Bäumen und alten europäischen Botschaften, residiert sie in einer Villa in Kalorama, weit entfernt von der K Street in der Innenstadt, wo die meisten Lobbyisten miteinander kabbeln.
    Während meiner ersten Tage in DC begann ich zu begreifen, dass die Davies Group sich nicht so sehr als Unternehmen, sondern als Geheimgesellschaft oder Schattenregierung verstand. Leute, die ich früher auf der Titelseite der Washington Post oder sogar in Geschichtsbüchern gesehen hatte, schlenderten durch die Gänge oder fluchten über den Papierstau in einem Drucker.
    Wie alle anderen Chefs tat Davies im Wesentlichen das, was er schon in seinen Regierungsfunktionen getan hatte. Er dirigierte das in Dekaden gereifte Expertenwissen der Bürokratie: Er wusste genau, an welcher Strippe er zu ziehen, welchen Funktionsträger er unter Druck zu setzen hatte. Wie er diesen trägen und plumpen, diesen allmächtigen und doch kaum funktionsfähigen Apparat – die Bundesregierung der Vereinigten Staaten – zum Leben erweckte und seine Marotten in Realitäten verwandelte, kam einem Wunder gleich.
    Früher hatte er sich vor Wählern, Spendern und politischen Parteien rechtfertigen müssen. Heute rechtfertigte er sich nur vor sich selbst. Er erhielt mehr Anfragen, als er jemals annehmen konnte, und so leistete er sich den Luxus, nur die Klienten anzunehmen, deren Fälle mit seinen eigenen Interessen übereinstimmten.
    Natürlich wurde nichts von alldem offen ausgesprochen. Man musste sich die täglichen Abläufe und die Rituale aneignen, indem man die Augen offen hielt und die richtigen Fragen stellte. Die Davies Group war alte Schule. Die meisten Firmen bewahren sich noch eine dünne Gentleman-Patina – die Anzüge, die Bibliothek, den gepflegten Parkettboden. Aber jede Noblesse ist von diesen Zahlenjongleuren schon längst ausgemerzt worden. Jeder bemisst sein Leben in den Zeilen und Spalten einer Tabellenkalkulation: in abgerechneten Stunden. Man muss seine Zahlen erreichen. Man steckt vom ersten Tag an im Hamsterrad. Bei Davies war das anders. Es gab keine Leitlinien, keine Quoten oder Vorgaben. Die Firma hatte in diesem Jahr nur etwa ein halbes Dutzend neuer Leute eingestellt. In manchen Jahren stellte sie gar keine ein.
    Jeder von uns neu Aufgenommenen erhielt ein Büro, eine Sekretärin und alle zwei Wochen einen Lohnscheck über viertausendsechshundert Dollar. Alles andere war unsere Sache. Man musste die Arbeit finden. Die Chefs und Partner belegten den zweiten Stock, der mir vorkam wie ein Flügel in Versailles. Die Senior Associates saßen im ersten Stock. Wir waren die Junior Associates, die Frischlinge, die man zu der Verwaltung, der Personalabteilung und den Rechercheangestellten ins Erdgeschoss steckte. Als Junior Associate arbeitete man im Grunde auf Probe. Man hatte sechs Monate, vielleicht ein Jahr, um seinen Wert für die Firma unter Beweis zu stellen, oder man war wieder draußen. Niemand zeigte einem, wie man das anstellte. Man musste durch die Büros jedes einzelnen Senior Associate hecheln, um die Spielregeln zu lernen, durfte dabei aber nie aufdringlich wirken. Bei der Davies Group lauteten die Kardinaltugenden Takt und Diskretion.
    Am Anfang bettelte man um jedes noch so kleine Projekt. Normalerweise bekam man dann den Auftrag,
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