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Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)

Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)

Titel: Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
Autoren: Lutz von Rosenberg Lipinsky
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zum ersten Mal hörte – das, was ich seitdem »den Schrei« nenne. Ausdruck der tiefsten, grausamsten Furcht, derer ich jemals Zeuge werden musste, abgesehen von Jamie Lee Curtis in »Halloween« natürlich.
    Ich befand mich im Esszimmer der herrlichen Altbauwohnung, in der ich damals lebte. Eine bezaubernde junge Dame war gerade bei mir eingezogen und ich hatte das Gefühl, dass mein Leben sich verändern könnte. Nicht immer nur Sex, Geld und Alkohol, nein, auch mal Streit, Möbelkataloge und benutzte Tampons im Klo – warum nicht?
    Ich schenkte uns gerade Wein ein und freute mich auf einen entspannten Filmabend. Wir hatten uns auf einen Emmerich-Film geeinigt, die kleine Katastrophe für zwischendurch. Und dann hörte ich ihn: den Schrei . Nicht aus dem Fernseher, sondern aus der Küche. Er war nicht artikuliert, er war nicht schrill – er war schlimmer. Es handelte sich einen der normalen Stimmlage meiner Geliebten absolut nicht entsprechenden, tiefen, kehligen Laut. Es war furchtbar. Mir brach sofort der Schweiß aus. Angst pur. Kennen wir ja auch aus dem Kino: Das Leben des Helden scheint endlich in Ordnung zu kommen; er hat mit seiner großen, neuen Liebe schließlich auch mal ein wenig Glück gehabt, nach seinen zahllosen, harten Opfern der Vergangenheit. Er verspricht, öfter und früher nach Hause zu kommen, sich in den Innendienst versetzen zu lassen. Und dann – zack – wird die Liebe seines Lebens brutal ermordet. Und es heißt doch wieder: Sex, Geld und Alkohol.
    In größter Sorge stürzte ich in die Küche, wo sich meine Süße aufhielt. War jemand durch das Seitenfenster eingedrungen? Das Vordach des Nachbarhauses bot dafür eine Art ideale Räuberleiter – für uns ein steter Grund zur Unruhe.
    Oder hatte sie sich verletzt? Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Oder war das der Hausflur? Vielleicht war auch dem Hund etwas zugestoßen? War sie plötzlich eines leblos in seinem Korb liegenden Kadavers gewahr geworden? War ihr Dalmatiner eines der zahllosen beklagenswerten Opfer dieser verschluckbaren Kleinteile von IKEA? Das würde zumindest den animalischen Klang ihrer Stimme erklären.
    Verdammt, es hatte sich angehört, als wäre ihr die Seele mit einem Ruck aus dem Leib gefahren. Ja, doch, es hatte was vom »Exorzisten«.
    Ich stürzte in die Küche, auf alles gefasst. Sapperlot, was sah ich da? Nichts. Meine Süße starrte einfach nur gegen die Wand. Oh Gott, dachte ich, sie hat den Verstand verloren, jetzt ist es passiert. Ausgerechnet heute, wo ich doch mit ihr »Independence Day« sehen wollte. Oder gerade deshalb?
    Langsam, ganz langsam hob sich ihre Hand und ich realisierte, dass sie mir etwas zeigen wollte. Sie deutete auf den dunklen Spalt hinter Waschmaschine und Trockner. Was mochte da sein? Einbrecher und kalter Hund waren damit jedenfalls ausgeschlossen. »Da …«, sagte sie. »Äh, ja?«, erwiderte ich. Pause. Dann seufzte sie: »Spinne!« Ui, dachte ich, das ist was Ernstes, das Sprachzentrum ist betroffen. Ich war verunsichert und wiederholte daher einfach erstmal ihre Worte, um Zeit zu gewinnen. »Da, Spinne!«. Erneute Pause. Ich versuchte es erneut: »Und …?« Sie: »Riesenspinne …!!!« Ich brummte zustimmend, nachdem ich des Tieres nach einigem Suchen auch selbst gewahr geworden war. Die war für Spinnenverhältnisse wirklich riesig. Will sagen: Man konnte sie mit bloßem Auge erkennen. Langsam schien meine Süße zu realisieren, dass wir ja noch nicht so lange zusammenlebten und ich vielleicht eine Art Unerfahrenheit in solchen Situationen besitzen könnte. Sie stotterte: »Ich … habe … Angst vor Spinnen …«
    Ich bin in meinem Umfeld nicht für meine feine Klinge bekannt. Ich schätze den Säbel für seine klärende Wirkung endgültiger Art. Das Florett nehme ich nur zum Rasieren. Insofern war auch hier meine Reaktion weit entfernt von dem, was man landläufig »sensibel« zu nennen pflegt. Ich polterte: »Das musst du doch nicht, das ist doch lächerlich. Schließlich beißen die nicht!« Und zack, hatte ich ein Küchentuch in der Hand, die Spinne darin zerdrückt und in den Mülleimer geworfen.
    Und wieder schrie sie auf. »Neiiiin!«, rief sie, »Tu das nicht! Das ist doch ein unschuldiges Tier!«. »Ja!«, sagte ich, »Und du hast davor Angst. Der Satz lautet: Töte, was du fürchtest. Und nicht: Schrei es an!« »Aber, aber … Das war eine männliche Wolfsspinne!«. »Bitte?!«, sagte ich, »Eine was?« – »Eine männliche Wolfsspinne!« –
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