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Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)

Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)

Titel: Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
Autoren: Lutz von Rosenberg Lipinsky
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irrelevanten Warndurchsagen an Bord können wir nicht verstehen, da sie in einer außerirdisch klingenden Sprache vorgetragen werden. Es handelt sich offenbar um eine moderne Form von Esperanto, inklusive Osterweiterung.
    Während des Fluges bekommen wir Getränke angeboten. Pro Schluck 10 Euro. Ich verzichte dankend, da mein Sohn ja Vitaminkapseln hat. Als ich ihm Wasser aus der Nasszelle holen will, um diese darin aufzulösen, muss ich allerdings feststellen, dass die Toilettenbenutzung 15 Euro kostet. Netterweise bringt ihm eine Stewardess einen Becher Leitungswasser vorbei. Macht 4,50 Euro. Stewardess auf den Arsch geguckt: 17,20 Euro. Draußen strahlend blauer Himmel: 40 Euro.
    Noch nie war die Erleichterung nach der Landung so groß, noch nie der Zwang zum Applaus derart unmenschlich stark. Angesichts der Voraussetzungen war die Wahrscheinlichkeit, diesen Flug zu überleben, ausgesprochen gering. Und der Preis für dieses Risiko zu hoch. Und dennoch sind wir noch am Leben. Ich starre in den Nebel über dem Rollfeld und sehe, dass sich nur eine Landeklappe geöffnet hatte und die Reifen kaum noch Luft haben. Die hiesigen Flughafenmitarbeiter laufen jubelnd hinter der Maschine her und sammeln das Geflügelragout auf, das aus den Düsen rieselt.
    Tiefe Dankbarkeit durchflutet den Körper. Geld hast du nicht nur nicht mehr, du brauchst es auch nie wieder. Dein ganzes Leben ändert sich. Du beginnst, Angst zu genießen – und den Moment, wenn die Gefahr vorüber ist. Und willst das immer und immer wieder. Du lernst, loszulassen. Dich selbst, deinen Besitz, die Menschen, die du liebst. Und den Tomatensaft. Es gibt keine bessere Angstschule.

ANGST VOR DEM TOD
    (Tanatophobie)
    Die Angst vor dem Tod ist eine sehr generelle. Und eine erfreulicherweise total sinnlose, weil das Ereignis an sich unausweichlich ist. Angst hat man insofern eher vor dem Eintreten desselben. Diese Formulierung darf hier durchaus wörtlich genommen werden – derjenige, der eintritt, ist schließlich die Verkörperung des Todes, der sogenannte »Sensenmann«. Dessen »Besuch« fürchtet man. Allerdings nicht, weil er sich so schlecht benähme, rülpste, im Stehen urinierte oder dergleichen. »Besuch« ist hier eine grundsätzlich extrem unpassende Beschreibung. Denn der Anlass ist keineswegs harmlos: Der Tod kommt nicht zum Kaffee und bringt Blumen mit. Er geht auch nicht wieder, die Begegnung mit ihm ist in aller Regel unendlich. Außerdem kündigt er sich meist nicht an. Er taucht vielmehr irgendwann unvermittelt auf, wann es ihm passt, vielleicht mitten in der Nacht oder – sehr perfide – kurz vor der Sportschau. Besuch empfängt man zudem normalerweise zuhause. Der Sensenmann aber folgt einem überallhin, da ist er wahllos. Der geht mit seiner Klinge durchaus auch zum Friseur oder ins Bordell – und nimmt einen dann auch noch mit. Vor dem Höhepunkt. Ein toller Besuch! Der Tod ist wie die FDP: Will keiner, geht trotzdem nicht weg.
    Wir stellen uns den Schnitter erschreckend vor, meistens in Form eines Skeletts mit Umhang. Und mit einer Sense – was im Mittelalter in einer bäuerlichen Gesellschaft noch als Schreckensvision angemessen gewesen sein mag, obwohl schon damals nicht sonderlich viele Menschen bei der Feldarbeit ihren Kopf verloren haben dürften.
    In der modernen Großstadt aber ist diese Vorstellung definitiv überholt, sterben doch mittlerweile eindeutig mehr Menschen an einem durch ein elektrisches Gerät ausgelösten Stromschlag. Allerdings würde es den Schrecken des Todes deutlich verringern, wenn er plötzlich statt mit der Sense mit einem Fön vor der Tür stünde. Man hielte ihn womöglich für einen Außendienstmitarbeiter von Vorwerk und riefe nach dem Verbraucherschutz. Als ob die helfen könnten. Vielleicht würde man in ihm auch einen fehlgeleiteten Mitarbeiter des mobilen Frisierteams vermuten und ihn in den zweiten Stock schicken, zur bezaubernden, aber bettlägerigen Rentnerin. Zu der er vielleicht ja auch wirklich wollte.
    Die Angst vor dem Tod ist relativ naheliegend: Wir alle wollen doch nicht wirklich lassen von dem, was wir Leben nennen. Und befürchten, dass wir das im Todesfalle aber unausweichlicherweise müssten. Uns ängstigt der Tod als die ultimative Beendigung unseres jetzigen Zustands, als unüberwindbarer Zaun, als Knast, aus dem es kein Entrinnen gibt. Bzw., je nach Weltanschauung, als sphärischer Zustand, in den wir befördert werden. Und in dem man sich vor lauter Ewigkeit bald zu Tode
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