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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition)
Autoren: Petra Morsbach
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wern total überschätzt. Ohne unsere Bedürfnisse wär da null Substanz. Zum Bleistift: Wat wärn die Erdöl exportierenden Länder ohne Erdöl? Nüscht!«
    Wir schweigen eine Weile.
    » Jeht ooch ohne, echt. Neulich unter die Brücke, da wollt et so ne Bekannte mir mit de Hand machen for zehn Märker. Aber aus sah die? So ne abjemolkene Titten! Da mach ick’s mir lieba selba und geh mit die zehn Märker inne Kneipe! Oder wat hättest du jetan?«
    Später finde ich mein Auto nicht. Ich habe es wegen der Parkgebühren am Stadtrand abgestellt, vor einem mehrstöckigen Gebäude, aber welchem? Vom Marktplatz aus sehe ich eins, das in Frage zu kommen scheint, aber es ist das falsche. Als ich verwirrt vor der Tafel mit den Klingelknöpfen stehe, fällt mir Falladah ein, das zusammenbrechende Pferd. Fünf Minuten später lagen nur noch meine Knochen auf der Straße. Tränen schießen mir in die Augen. Dabei lebe ich überhaupt noch und bin gar nicht fertig mit dem Sterben!
    Eine Frau tritt aus dem Haus. Ich wechsle rasch die Straßenseite. Als ich mich umdrehe, sehe ich, sie zieht eine Lesebrille aus der Handtasche und studiert neugierig die Namensschilder.
    *
    Gabriel steht vor meiner Tür. » So geht das nicht. Ich verstehe die Verwundungen, die da brennen, und bin auf deiner Seite. Aber ich habe auch Verantwortung für die anderen.« Ich hätte nachts auf dem Klavier herumgehämmert und sei brüllend ums Haus gerannt, sagt er bekümmert.
    Ich erinnere mich nur verschwommen.
    » Es tut mir leid«, sage ich. » Ich halte es nicht aus. Immer ist es dunkel bei denen, ich sehe die dunklen Fenster und weiß, was passiert, er bei ihr, sie bei ihm, vielleicht testen sie die Betten abwechselnd. Ich bin doch kein Neutrum! Und ich kann die Liebe nicht einfach ausknipsen wie Licht.«
    Er reicht mir ein paar vollgekritzelte Blätter. » Hast du die heute Nacht geschrieben? Sie lagen auf dem Klavier. Vielversprechend. Vielleicht besinnst du dich auf dein Kerngeschäft?«
    Nach einem Tag in Verzweiflung ende ich wieder am Klavier. Dort klebt ein Zettel, der mich allerdings nach Luft schnappen läßt. Saubere, kunstvolle Schrift. Hallo Henry! Ich respektiere deinen Schmerz, doch wozu die Öffentlichkeit? Wenn einer am Kamin steht und merkt plötzlich, er muß kotzen, dann geht er doch raus, oder? Beste Grüße Dora.
    *
    Ich fühle mich entkernt, gleichsam ausgehöhlt, die Ränder der Höhle wund. Wie immer ich mich bewege, Scham und beißender Schmerz. Wenn ich mich nicht bewege, geht es. Gabriel kümmert sich, er wirkt so besorgt, daß er nicht mal mit mir trinken will. Er bringt mir die Post.
    Vor einer Woche hat Gabi einen sechsseitigen Brief geschrieben. Wir hatten mal was miteinander vor Jahren, dann allerdings hat sie einen reichen Italiener geheiratet und von ihm zwei Kinder bekommen. Den Italiener ist sie wieder los, die Kinder natürlich nicht, jetzt sucht sie eine neue Aufgabe. Ich lese den Brief mehrmals. Trotz des skeptischen Tons scheint Gabi mir zugetan, eine junge Frau, nicht älter als Sidonie. Aber was soll ich mit zwei kleinen Kindern?
    Ich erwäge auch, Sidonie einen Brief zu schreiben: Tu’s nicht! Hast du nicht gehört, wie zynisch der Mann über die Liebe redet? Sein Ideal ist die Beischlafsgemeinschaft mit vierzehntägiger Kündigungsfrist! Ich lasse es aber, aus Furcht vor der Antwort: Ach nein, in Wirklichkeit ist er echt total süß!
    Manchmal fahre ich durch die Gegend auf der Suche nach Frauen. In einer Drogerie sehe ich eine Reiterin: hochgewachsen, karierte Jacke, Breeches, knallende Absätze; Brille. Kauft Damenbinden. Ich setze mich in ein Café, um abzuzittern. Es gibt wirklich schöne Frauen in Ostfriesland. Nur leider alle so jung, die Biester. Eine Kellnerin in Emden macht mir tiefen Eindruck. Sehr fein und nett, hat bestimmt studiert. Herrliche lange Beine.
    Heute ein kühler, wechselhafter Tag. Ich sitze auf dem Gartenstuhl, den ich ständig in die Sonne schiebe, und lese, bis eine riesige Wolke mich vertreibt. Kreisflucht: Im Haus war’s zu kalt und ich suchte die Sonne, jetzt flüchte ich vor dem Wind ins Haus, bis die Sonne mich wieder hervorlockt.
    Kadletz schreibt: Ich gratuliere zu Deinen neuen Gedichten! Sehr eindrucksvoll. Eindrucksvoll, schnaube ich. Meine Nase fängt wieder an zu bluten. Auch die Prosa, fügt er hinzu, allerdings: Deine Wendedeutung wird kaum ein Publikum finden, zu säuerlich, schon zu deiner eigenen Schonung muß ich von einer Publikation abraten, und so fort. Die
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