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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition)
Autoren: Petra Morsbach
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Samstag war ich so glücklich wie seit Jahren nicht. Und jetzt schlägst du mich nieder. Es war alles Einbildung, ich habe mich verrückt machen lassen, ich war ein Esel! Mein Gott, was für ein Esel ich war! Ich Idiot!« Ich taumle, mein Herz außer Tritt, schäumend, Schlieren vor Augen, was überhaupt, also, Scheitern das eine, aber dann auch noch, dann auch noch, dann auch noch er, warum nur, warum ausgerechnet er, DIESER ELOQUENTE SCHWÄTZER MIT SEINER SCHEISSPROSA !
    *
    Alles ist schwarz um mich. Um mich alles schwarz. Nachdem ich Sidonie rausgeschmissen habe, wird mir schwarz vor Augen, und ich gehe zu Boden. Später schleppe ich mich zu unserem Staverfehner Landarzt, der sich weigert, zu mir zu kommen – er kennt mich bereits und macht keinen Hehl daraus, daß er mich für einen Hypochonder hält.
    Im Behandlungszimmer lege ich mich nicht auf den Behandlungstisch, sondern setze mich auf einen Hocker, der offenbar der des Arztes ist. Die Liege steht nämlich unter dem angekippten Fenster, von dem es kalt hereinzieht. Der Arzt tritt ein und stutzt, sagt aber nichts. Er lehnt sich an die Wand neben der Tür, die Hände auf dem Rücken, und knipst mehrfach versehentlich das Licht aus, worauf er jedesmal mit einem leisen Ausruf herumfährt und es wieder anknipst. Ich sage: » Um mich ist alles schwarz.«
    Er antwortet: » Kein Wunder bei Ihren Werten.«
    » Bei meinen Werten«, sage ich bitter. Fast hätte ich gesagt: Wirklich kein Wunder. Ich habe mich verliebt und bin gescheitert. Aber er wiederholt gänzlich humorlos Laborziffern aus meiner Krankenakte. Er sagt: Blutdruck, Extrasystolen, Cholesterin, Entzündungsparameter, Leberwerte eklatant erhöht – er rät mir, mich an einen Internisten zu wenden; der Überweisungsschein liege schon bei den Mädchen bereit. Ich stehe auf, allein gelassen in meinem Elend, und frage mannhaft: » Was soll ich tun?«
    » Es sind die Adressen von drei Auricher Internisten beigeheftet. Besorgen Sie sich rasch einen Termin.«
    » Und bis dahin?«
    » Bis dahin rate ich Ihnen: keinen Alkohol, keine Zigaretten, keine Aufregungen.«
    *
    Ich fahre nach Aurich zum Internisten. In Aurich auf dem Marktplatz findet ein Weinfest statt mit Gutelaunemusik und Trubel. Ich esse auf einer Biergarnitur ein Stück Lamm mit Kräuterbutter und trinke Dornfelder, und dann trinke ich noch einen Dornfelder. Ich blinzle in die Nachmittagssonne und fühle mich aufgehoben im dröhnenden Summen der Menge. Den Termin beim Internisten habe ich verpaßt. Kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Aufregungen, da könnte ich ja gleich aufhören, Dichter zu sein. Während ich esse, beginnt meine Nase zu tropfen, und da ich kein Taschentuch dabei habe, wische ich die Tropfen unauffällig mit der Hand weg. Nach einiger Zeit merke ich, ich habe rote Finger.
    Noch später in einer Nebenstraße wird mir schwindlig, und ich sinke auf eine leere Holzpalette unter einem Schaufenster. Ziemlich lange sitze ich dort, auf der sonnenbeschienenen Seite einer Einkaufsstraße, in der, nur drei Fußminuten vom Marktplatz entfernt, kaum ein Mensch unterwegs ist. Eine sehr alte Frau entsteigt einem Taxi, trägt mühsam Gepäck in einen Laden und kommt auf Krücken wieder heraus. Sie wirft einen Blick zu mir herab und sagt nachdenklich: » Sie werden nicht abgeholt.«
    Später setzt sich ein Penner neben mich auf die Palette. » Haste zwee Mark?«
    Der gute Berliner oder Brandenburger Ton, das trifft mich schwer. Noch ein versprengter Ossi mit Bartstoppeln und gesprungenen Äderchen im Gesicht, ich will ihn nicht sehen. Ich will gehen, komme aber nicht hoch, also bleibe ich sitzen, fast ohnmächtig, und drücke beide Hände auf die Brust, um mein Herz festzuhalten.
    » Warum zwei?« frage ich.
    » Na denn eene, bitte, ick bin Alkoholiker, ick brauch meen Stoff!«
    Ich gebe ihm die Mark. Ich denke: Bruder, wir sind uns ähnlicher, als du denkst.
    Er hält die Münze vors gerötete Auge. » Geld macht nich glücklich, wa. Ick hab hunnerttausend Märker, machen die mir etwa glücklich? Nee! Nur n bißken unabhängig. Okay, als die mir inne Sparkasse sachten, ohne festen Wohnsitz kriege ick bei die keen Konto, sare ick: Selba schuld, denn geh ick ehmt zu die Deutsche Bank. Wenn ick hunnerttausend Märker hab, wozu brauch ick denn n Wohnsitz? Geld macht schließlich nich glücklich.«
    Meine Nase beginnt wieder zu bluten.
    » Du hast annere Probleme, wa?«
    » Ja. Meine Angebetete hat mich betrogen.«
    » Pah! Raspel dir een. Frauen
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