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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus
Autoren: Pierre Emme
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in drei Metern über
Niveau befindliche Haus und korrigierte sich, »herunterzukommen.«
    Gerd Robledal, der generell übermüdet, kurz vorher etwas
eingenickt und durch die barsche Aufforderung aus dem Dösen gerissen worden
war, hatte allerdings ›Hasenherz‹ verstanden und dieses Synonym für Feigling
auf sich bezogen. Und wenn Gerd etwas nicht mochte, also wirklich nicht
ausstehen konnte, dann das, als Feigling angesehen oder bezeichnet zu werden.
    In seiner Familie hielt sich hartnäckig die Legende, dass ein
Urururwasimmerauch sogar ein illegitimer Spross von El Cid, dem legendären
spanischen Helden, gewesen sein soll.
    Und einen Nachkommen von El Cid nannte man nicht Feigling,
zumindest nicht ungestraft. Empört zog er die Pistole seines Vaters, eine Steyr
M-A1, die er heute Morgen aus dem Handschuhfach des Touareg hatte mitgehen
lassen, und schlich zu einem Fenster.
    Vorsichtig blickte er hinaus und sah, wie der Polizeioffizier
vor dem Haus aufs Neue den Lautsprecher an den Mund hob.
    »Haselherz hier«, meinte er wieder völlig
überflüssigerweise, »die 30 Sekunden sind um. Ich fordere …«
    Weiter kam er nicht, denn der übermüdete,
verwirrte und verängstigte Gerd Robledal hatte neuerlich ›Hasenherz‹
verstanden. Das war eindeutig einmal zu viel gewesen.
    Vorsichtig versuchte er, sich in eine bessere
Schussposition zu bringen, um den impertinenten Kerl …
    Aber die Burschen von der Cobra waren Profis. Deshalb blieb
natürlich der Arm mit Pistole, der sich langsam aus dem Fenster schob, nicht
ohne Reaktion.
    Lange Rede, kurzer Sinn. Nach einem kurzen, extrem
einseitigen Schusswechsel war Oberleutnant Haselherz angeschossen und an der
Schulter verletzt worden.
    Die Polizei, die das Schießen besser beherrschte, war da
erfolgreicher gewesen. Wie der Gerichtsmediziner später, nach Obduktion der
Leiche Robledals, zu Protokoll geben sollte, hätte jeder der fünf Treffer
unabhängig von den anderen zum sofortigen Tode Gerd Robledals geführt.

     
    *

     
    Endlich hatte es bei Florian Nowotny geklingelt.
Nach dem vierten Anruf von Marios Handy, auf dem sich sein Freund und
Brötchengeber nicht gemeldet hatte, aber dieses seltsame Klopfen zu vernehmen
war, hatte er überrissen, was ihm da signalisiert wurde.
    Palinski brauchte dringend Hilfe und befand sich in einer
Situation, in der es ihm nicht möglich war, sich ganz normal mitzuteilen. Auf
gut Deutsch, sein Chef war sprach- und hilflos.
    An sich eine bestechende Vorstellung, schoss es Florian durch
den Kopf, der dem schwarzen Humor nicht abgeneigt war. Aber nun waren derartig
unernste Gedanken fehl am Platz.
    Die Frage war vielmehr: Wo war Mario hilflos? Oder besser
ausgedrückt, wo befand sich dieser hilflose Palinski?
    Jetzt rächte es sich bitter, dass Mario in letzter Zeit so
ein Geheimnis aus seinem ganz normalen Tagesablauf und seinen Mitarbeitern
damit das Leben schwer machte.
    Als Erstes versuchte er daher, Wilma zu erreichen. Wenn
jemand wusste … Doch das war anscheinend sehr blauäugig gedacht und reines
Wunschdenken. Vor allem, Wilma hatte ihr Handy abgeschaltet und war somit nicht
erreichbar.
    Seine Kollegin Margit Waismeyer, ihres Zeichens Bürochefin im
Institut, konnte er ausschließen, da sie die ganze Woche auf Urlaub und nicht
in Österreich war.
    Was war mit Frau Pitzal, der umtriebigen Hausbesorgerin? Die
wusste doch immer alles! Wo wohnte die gute Frau überhaupt? Oder wie lautete
zumindest der Vorname ihres Mannes?
    Er konnte unmöglich alle 41 Pitzals in Wien anrufen. Bis
dahin war das Schiff längst gesunken.
    Halt, was war mit diesen jungen Leuten im ersten Stock? Mario
schien einen recht guten Draht zu ihnen zu haben. Und sie waren ja wirklich
nett. Vielleicht hatten die zufälligerweise etwas mitbekommen.
    Gerade war erneut ein Anruf gekommen, mit dem inzwischen
unmissverständlichen Hilferuf: Drei kurz, drei lang, drei kurz, und das immer
wieder.

     
    *

     
    Maja hatte
sich sofort daran erinnert, dass der ›geschätzte Nachbar‹, wie sie zunächst,
ohne den Ernst der Lage zu kennen, scherzte, zum Essen zu einer alten Dame auf
der Dreierstiege gehen wollte. Mit Hund, nicht Palinski, sondern die Dame.
    Richtig, Florian konnte sich justament wieder
erinnern, dass sein Chef dieses Essen bei Gelegenheit erwähnt hatte. Ohne
allerdings ein konkretes Datum genannt zu haben.
    »Du bist doch Arzt«, die als Feststellung getarnte
Frage war an Jan gerichtet, der nicht Ja und auch nicht Nein sagte. »Ich werde
einmal Arzt
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