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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus
Autoren: Pierre Emme
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das Viech wollte, angelockt
von der unwiderstehlichen Geruchsmischung aus Blut, Urin und Erbrochenem,
partout nicht an die frische Luft, sondern zum Ursprung dieser olfaktorischen
Köstlichkeiten.
    Gut, bis dahin war’s nur extrem unappetitlich, aber
denkbar. Wer konnte in einen Hund hineinschauen und wissen, was er in einer
Extremsituation wirklich wollte.
    Danach sollte das Tier, also diese fette, ausgefressene
Sofarolle mit ihren vier Stummelbeinchen, die von der Wurminzer gestern, oder
war’s vorgestern gewesen, zum Pieseln in den Hof hatte getragen werden müssen,
diese Frau ein, zwei Tage vorher tatsächlich veranlasst haben, statt nach unten
nach oben zu gehen?
    Nein, der exakte Wortlaut ihrer Aussage war gewesen, dass sie
der Hund förmlich hinaufgezogen hatte.
    Na klar, und gleich danach war ein Rollstuhlfahrer der
Straßenbahn nachgelaufen.
    So ein Mist. Das war bei dem Hund schon anatomisch gar nicht
möglich. Dieses Viech konnte einfach nicht mehr ziehen, musste im Gegenteil
froh sein, wenn es noch gezogen wurde.
    Die richtige Antwort musste demnach lauten, die Wurminzer
hatte ganz genau gewusst, was sie da oben erwartete. Warum wohl?
    Gestorben war Karl Lesonic wahrscheinlich in dieser Wohnung,
ebenso wie Palinski hier sterben würde, wenn Florian nicht endlich …
    Wie wild hämmerte sein Fingernagel dreimal kurz, dreimal
lang, dreimal kurz auf das Gehäuse des Handys.
    Wieso war ihm
dieser völlig klar zutage liegende Widerspruch nicht längst aufgefallen? Dann
säße er jetzt nicht hier bei dieser verrückten alten Frau, die den Tod ihrer
geliebten Pippi gerächt hatte. Und der es auf einen Mord mehr scheinbar auch
nicht mehr ankam.
    Wenn er das
richtig sah, war nicht Bernie, der gute, geistig etwas zu kurz geratene Bernie,
der Mörder. Nein, der liebe Bub hatte seiner Großmutter lediglich bei den
Dingen geholfen, die sie selbst nicht erledigen konnte. Wie zum Beispiel, die
Leiche eines Mannes nach oben zu tragen.
    Das Töten selbst
hatte sich die Alte nicht nehmen lassen. Na ja, mit Gift, das war ja auch eine
typisch weibliche Art zu morden. Das wusste jeder, der sich nur ein wenig damit
befasste.
    Obwohl, woran war
Lesonic letztlich überhaupt gestorben? Palinski versuchte krampfhaft, sich an
die spezielle Passage im Bericht der Gerichtsmedizin zu erinnern.
    »… hat der Karl
schön blöd aus der Wäsche geschaut, als er sich nicht mehr bewegen hat können.«
Vereinzelt drangen nach und nach wieder Wortfetzen, ja ganze Satzteile an Marios
Ohr.
    »Der ist genauso im Sessel ghängt wie du, nur hat
er wesentlich armseliger ausgschaut, der Mistkerl. Nach drei Stunden ist er
endlich eingegangen, wie ein Ratz im Keller. Nachdem ich ihm die Injektion
gegeben hab. Nichts als Luft und dann diese traumhafte Embolie. Bingo, Ende,
Out. Und es gab ein Schwein weniger auf dieser Welt.«
    Nach den letzten Sätzen hatte ihr Gesicht einen ungemein
zufriedenen Ausdruck angenommen.
    Bis dahin hatte sich Palinski schon sehr ungut gefühlt, ja
sogar ein wenig, na, eigentlich ziemlich gefürchtet.
    Als ihm in diesem Moment noch siedend heiß einfiel, dass er
vor zwei Tagen eine Spritze im Regal liegen gesehen hatte, bekam er das erste
Mal an diesem Abend Angst. Richtige, kalten Schweiß auf die Stirn treibende
Scheißangst. Angst um sein Leben.
    Das war keine Situation mehr, aus der er sich so ohne
Weiteres wieder herausschwindeln konnte. Und erst recht kein amüsantes
Abenteuer mehr, über das sich im Nachhinein trefflich anekdotisieren ließ.
    Er musste sich konzentrieren, um nicht in Panik zu geraten.
    Wie wild trommelte sein Mittelfinger weiter auf das harte
Gehäuse des Handys. Drei kurz, drei lang, drei kurz; drei kurz, drei lang, drei
kurz, und so weiter und so fort, in Ewigkeit Amen. ›Verdammt, mein guter
Florian, schütz endlich mich, zünd andre an.‹

     
    *

     
    Auf das Kommando des Oberleutnants hin wurden
die beiden Scheinwerfer, die auf das Haus gerichtet waren, eingeschaltet und
tauchten die gespenstisch wirkende Szenerie in grelles Licht.
    Gleichzeitig forderte der Offizier den im Haus befindlichen
Attentäter, den Mann, der vor knapp zwölf Stunden zwei Schüsse auf Hildi
Forderberg abgegeben und sie Gott sei Dank verfehlt hatte, verstärkt durch
einen Handlautsprecher auf, sich zu ergeben.
    Als höflicher Mensch stellte er sich dabei zunächst vor, was
in etwa so klang: »Hier Haselherz, das Haus ist umstellt. Sie haben 30 Sekunden
Zeit, mit erhobenen Händen heraus…«, er begutachtete das
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