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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung
Autoren: Cassie Alexander
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hinunter.
    Die Fluten hatte ganze Arbeit geleistet. Nun zeugten nur noch ein paar flache Pfützen und schlammige Rückstände davon, dass es überhaupt geregnet hatte. Unten angekommen, stapften Olympio und ich zu den drei Tunneleingängen. Die Sonne stand direkt hinter dem Schacht, sodass die Gänge in tiefem Schatten lagen. Mich würde niemand dazu bringen, je wieder einen dieser Tunnel zu betreten.
    »Möchtest du vielleicht ein paar Worte sagen?«, fragte Olympio, als wir den Rand des lang gezogenen Schattens erreicht hatten.
    »Eigentlich nicht.« Ein Gebet wollte ich nicht sprechen, wusste aber auch nicht, was ich sonst sagen sollte. Ti hatte sich fast ein ganzes Jahrhundert lang als guter Mensch erwiesen. Dass weit über die Hälfte der Zeit sein Herz nicht geschlagen hatte, spielte dabei keine Rolle. Alleine ging ich weiter. Als ich den mittleren Eingang erreichte, warf ich die Blumen in den Tunnel. Sie landeten platschend im Schlamm, wo sie bis zum nächsten Regen liegen würden. »Bei jedem Gewittersturm werde ich an dich denken«, sagte ich leise.
    »Wie rührend«, schallte es mir aus dem Tunnel entgegen.
    Erschrocken fuhr ich zusammen, aber Olympio hielt es wohl für eine Regung der Trauer, denn er kam nicht angelaufen. Was auch besser war, denn ich wusste, wer mir hier gleich gegenüberstehen würde, und der Junge hatte nun wirklich schon genug seltsame Dinge gesehen.
    »Ohhhh«, zischten die Schatten mit aufgesetztem Mitgefühl. »Wir wollten dich nicht erschrecken.«
    »Warum seid ihr hier?« Am liebsten hätte ich ihnen befohlen, abzuhauen. Sie hatten es nicht verdient, in Tis Nähe zu kommen.
    »Wir hatten einen Pakt geschlossen. Immerhin hast du Santa Muerte gefunden«, murmelten die vielen Stimmen, immer wieder unterbrochen von tropfendem Wasser. »Unser ist sie nicht, aber wir sind an gewisse Förmlichkeiten gebunden. Also sind wir nun zum Gespräch bereit, wie wir es dir zugesagt haben.«
    »Was wollt ihr?« Niemals würden sie mit mir reden, wenn sie sich nicht irgendetwas davon versprachen. Ich wusste nur zu gut, wie der Hase lief.
    »Auf Y4 hat sich ein kleiner … Unfall ereignet. Wir könnten dich dort wieder gebrauchen. Und im Gegenzug dazu würden wir natürlich deiner Mutter helfen.«
    Noch achtundvierzig Stunden zuvor hätte ich diese Chance mit Freude ergriffen.
    Doch die Geschehnisse der letzten Tage hatten mich verändert. Nachdenklich starrte ich in den finsteren Tunnel, in dem die Schatten lauerten. Erst jetzt waren sie bereit, mir Unterstützung anzubieten. Natürlich wollte ich meine Mom noch immer retten, aber meine Mutter würde nicht wollen, dass ihr Leben auf Kosten meines eigenen erkauft würde.
    Und genau das würde passieren, wenn ich mich wieder unter das Joch der Schatten begeben und auf Y4 zurückkehren würde.
    Diesmal war ich dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen. Würde mir das beim nächsten Mal wieder gelingen? Ich hatte so viele Entscheidungen treffen, zwischen so vielen Leben wählen müssen. Das alles stürzte wieder auf mich ein. Wie oft konnte ich mein Glück noch ausreizen, bis es mich verließ?
    Im Moment stand ich kurz davor, ein ganz normales Leben zu führen, mit einem guten Job und Asher an meiner Seite. Näher würde jemand wie ich der Normalität wohl nie wieder kommen, das wusste ich. Und genau das wünschte sich meine Mutter für mich.
    Ich entschied mich für mich.
    »Wir werden sehen«, antwortete ich der Dunkelheit in dem Tunnel.
    »Wir werden sehen?«, wiederholten die Schatten fassungslos. »Das werden wir allerdings sehen !« Die vielen Stimmen hoben sich, dann lachten sie.
    Ich wandte mich von den Tunneln ab. Ohne Tis Leichnam war für mich hier unten nichts mehr zu finden.
    Olympio wartete höflich am Rand der Mauer. »Alles okay?«
    »Jawohl.«
    »Ich werde später ein oración für ihn sprechen.«
    »Danke, das wäre schön.« Lächelnd musterte ich den Jungen. »Du bist einfach großartig, Olympio.«
    Er klopfte sich voller Selbstverständlichkeit auf die Schulter. »Weiß ich doch.«

Kapitel 50
     
    Jetzt läuft also alles ganz normal. Hmm. Zumindest normaler als früher. Keine Schatten sprechen zu mir, ich habe seit drei Monaten keinen Vampir mehr gesehen, und Asher will, dass ich bei ihm einziehe, was eigentlich nur naheliegend wäre, weil ich sowieso quasi bei ihm lebe und Minnie schon stinksauer auf mich ist. Asher kann sich ohne jedes Risiko in Hector verwandeln – andere Gestalten haben wir bisher noch nicht ausprobiert
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