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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung
Autoren: Cassie Alexander
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gebrochen. Jetzt konnte ich nicht mehr aufhören.
    »Und außerdem gibt es in der Stadt auch Werwölfe. Früher waren es zwei große Rudel, aber jetzt ist es nur noch eines, und in den Vollmondnächten toben sie in den Parks in den Außenbezirken herum. Und die Zombies! Also, einmal bin ich sogar mit einem echten Zombie ausgegangen. Obwohl ich von Anfang an wusste, dass er ein Zombie ist, habe ich mich auf das Date eingelassen. Und jetzt raten Sie mal, woher ich das wusste – er hat es mir gesagt. Ich war eine Nacht lang seine Krankenschwester. In der Klinik, in der ich früher gearbeitet habe.«
    Ich ließ mich in diese unglaublich gemütliche Couch zurücksinken und drückte eine Hand auf die Brust. »Nicht zu fassen, dass ich Ihnen das alles erzählt habe. Das hat so gutgetan.« Als ich zu meiner Psychologin aufblickte, erkannte ich, dass mein Geständnis nur auf eine von uns eine positive Wirkung hatte.
    Noch immer verzerrte dieses angespannte Lächeln ihr Gesicht. »Und befehlen Ihnen die Vampire, dass Sie sich selbst verletzen sollen?«
    Zumindest nicht in letzter Zeit! Am liebsten hätte ich mit einem Klugscheißerkommentar dieser Art geantwortet. Aber alles, was ich der Psychologin sagte, landete in einer Akte. Wenn ich sie schon als Zuhörerin missbrauchte, konnte ich die Sache zumindest ernst nehmen und höflich bleiben. »Nein. Und ich höre auch keine Stimmen in meinem Kopf.«
    Sie versuchte es anders: »Befehlen die Vampire Ihnen, andere zu verletzen?«
    Auch das nicht mehr! »Nein. Sie dürfen gar nicht mehr mit mir sprechen.«
    Ich registrierte ihren durchdringenden Blick, offenbar versuchte sie abzuwägen, wie es um meine geistige Gesundheit stand. Jetzt war der Moment gekommen, mich zusammenzureißen und zu lachen, als hätte ich ihr mit dieser Geschichte nur einen Streich spielen wollen. Ein irrer Scherz, war der nicht lustig? Oder aber ich erzählte weiter und soff ab wie ein Stein im Wasser – es zog mich sowieso regelmäßig in die Tiefe. Die meisten Menschen verfügen ja über eine Art eingebauten Selbsterhaltungstrieb; man könnte sagen, dass mir das nötige Gen dazu fehlte.
    »Eine Vampirin stand mir ziemlich nahe. Sie hat mich geächtet, um mich zu schützen, nachdem ich sämtliche Vampirblutvorräte des Landes vernichtet hatte. Dadurch habe ich sie gerettet, aber auch alles ruiniert.«
    Die Therapeutin atmete angestrengt ein und aus. »Mit fünfundzwanzig sind Sie eigentlich etwas zu alt für einen schizophrenen Schub, Edie. Aber offenbar wird es Zeit für eine Realitätsprüfung.«
    Realitätsprüfung. Als wäre das, was mir im vergangenen Winter passiert war, nicht real gewesen. Ich starrte auf den gemusterten Teppich. »Genau das ist es ja. Es war alles real. Jede Kleinigkeit. Aber ich kann mit niemandem darüber sprechen. Wissen Sie, was mit Ihnen passieren wird, sobald ich den Raum verlasse? Falls Sie mir überhaupt glauben?«
    »Nein.« Sie sah aus, als hätte sie ein extrem saures Bonbon verschluckt. »Warum erzählen Sie es mir nicht einfach?«
    »Die Schatten steigen aus dem Boden auf und löschen alles, was ich gesagt habe, aus Ihrem Gedächtnis. Vielleicht können Sie sich dann nicht einmal mehr an mich erinnern.« Frustriert bohrte ich einen Zeh in den weichen Flor.
    »Edie, wie lange leiden Sie schon unter diesen Wahnvorstellungen?«
    Ich antwortete nicht.
    »Ich weiß, dass Sie Krankenschwester sind, und ich würde Ihnen nur höchst ungern Medikamente verschreiben, aber mein Kollege nebenan – er ist Psychiater. Wir können zusammen zu ihm gehen. Wenn er sie als Notfallpatient dazwischennimmt, können Sie sofort ein Rezept bekommen. Risperdal soll ja wahre Wunder wirken.«
    »Risperdal?« Verstört blickte ich hoch. Ja, ich war verrückt … aber doch nicht irre . »Nein.«
    »Edie …«, drängte sie mit gedämpfter Stimme. Ich griff nach meiner Handtasche und stand auf. »Sie werden sich doch nichts antun, oder?«
    »Solange ich hier rauskomme, nicht«, antwortete ich und zog die Tür hinter mir zu.
    Während meiner Ausbildung hatte ich auch in der Psychiatrie gearbeitet. Die Krankenschwester, der ich dort zugeteilt gewesen war, hatte mit Risperdal versetztes Popcorn in die Mikrowelle geschoben, das wir dann aus einer unbenutzten Plastikbettpfanne gegessen hatten. Es war damals schon völlig daneben gewesen, sich auf die Werbesprüche der Pharmaindustrie einzulassen, auch wenn es nur zum Spaß war; und natürlich auch, aus Bettpfannen zu essen, als wären es
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