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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung
Autoren: Cassie Alexander
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sie, bis wir losfuhren und er nichts mehr sehen konnte.
    »Und sie war echt ein Vampir?«, fragte er mich.
    Es hatte keinen Sinn, ihn anzulügen; er hatte schon wesentlich Schlimmeres gesehen. »Ja.«
    »Wow. Und was ist mit der Eselsfrau?«
    »Ich glaube nicht, dass die so bald wieder auftaucht.« Nach allem, was Montalvo ihm angetan hatte, würde man wahrscheinlich zehn untote Pferde brauchen, um Dren wieder in diese Stadt zurückzubringen.
    »Gut.«
    »Und, wofür hast du gebetet?«, fragte ich ihn.
    »Wann?«
    »Du weißt schon, vorhin.« Da Santa Muerte offenbar bei jedem von uns ein Gebet erhört hatte, war ich davon ausgegangen, dass Olympio ebenfalls gemeint gewesen war. Es sei denn natürlich, sein Beinahetod hatte ihn so sehr abgelenkt, dass er es nicht bemerkt hatte.
    Verwirrt runzelte er die Stirn. »Meinst du damals, als ich meinen Namen unter das Wandbild geschrieben habe?«
    »Ja, genau«, nickte ich, da das einfacher war, als ihm meine Überlegung zu erklären.
    »Ich habe sie darum gebeten, mich zum größten curandero aller Zeiten zu machen.«
    Das entlockte mir ein spöttisches Schnaufen. »Und, wie steht es damit?«
    Einen Moment lang grübelte er, dann hob er die Hand, streckte sie zu mir nach hinten und tippte auf mein Brustbein. »Sag du es mir.«
    Olympio wurde nicht mit einer Konfettiparade empfangen, als wir vor seinem Haus hielten. Fröhlich sprang er aus dem Wagen, kam nach hinten und riss meine Tür auf. »Du musst mich unbedingt besuchen kommen.«
    »Ganz bestimmt. Und vielleicht bringe ich auch meine Mom mit.« Wer wusste schon, ob ein halb magischer Olympio nicht etwas gegen unmagischen, rational nicht greifbaren Krebs ausrichten konnte? Versuchen sollte ich es jedenfalls.
    Er musterte mich neugierig und grinste dann. »Alles klar!«
    Ich zog die Autotür zu. Hatte ich mich richtig entschieden? In dieser Nacht hätte ich sie heilen können, vollständig heilen. Aber welche Wahl hatte ich denn schon gehabt? Durch das Fenster winkte ich Olympio noch einmal zu, und er erwiderte den Gruß. Mein vampirischer Chauffeur trat aufs Gas und schaltete das Radio aus.
    Ich hatte völlig vergessen, dass mein Auto ja in Tecato Town stand, was mir auch erst wieder einfiel, als der Fahrer mich vor meinem Haus absetzte. Jetzt war es zu spät – was geschehen war, war geschehen, dann würde ich es eben morgen abholen. Als ich die Wohnung betrat, freute sich Minnie überschwänglich, mich wiederzusehen. Auf meinem Handy erwarteten mich weder verstörende SMS noch irgendwelche Nachrichten. Sofort ging ich unter die Dusche, denn Gott allein wusste, womit ich in diesem Abflusskanal in Berührung gekommen war – vielleicht sogar Giftmüll. Sorgfältig schrubbte ich mich ab, dann griff ich zum Handtuch. Mir fiel nicht einmal auf, dass ich Minnie wenig später eine doppelte Portion Katzenfutter hinstellte, so tief war ich in Gedanken versunken.
    Was nun? War es das alles wert gewesen? Ti war fort. Die garantierte Rettung meiner Mutter war vertan. In weniger als zwei Wochen war mein Leben aus der Normalität in die Welt des Übernatürlichen zurückgeglitten. Was hatte ich getan? Zu was für einem Menschen war ich geworden?
    Unruhig zog ich mir etwas an, wanderte im Schlafzimmer herum und versuchte, mir einen Reim auf das alles zu machen. Irgendwann fiel mir auf, dass ich frische Straßenklamotten angelegt hatte, statt mich bettfertig zu machen.
    Blieb zu hoffen, dass der eine Mann, der mir bei der Beantwortung all dieser Fragen helfen konnte, auch noch wach war.

Kapitel 47
     
    Ich verließ das Haus und nahm die erste Bahn. Den genauen Weg wusste ich nicht mehr, ich war erst einmal bei Asher zu Hause gewesen, im Winter, und da war ich mit dem Auto hingefahren. Doch ich stieg einfach an der Haltestelle aus, die wohl am nächsten dran war, und lief dann in die Richtung, die mein Bauchgefühl mir empfahl. Es war ein kühler Morgen: Der nächtliche Regen hatte alle Wolken fortgespült, und auf meinem Weg kam mir das erste, fahle Morgenlicht entgegen.
    Es dauerte eine Weile: Ein paarmal bog ich falsch ab und landete in irgendwelchen Nebenstraßen und Sackgassen, dann wiederum wanderte ich zweifelnd an großen Wohnblocks vorbei. Aber letztendlich fand ich das Haus, das ich auch ohne zierenden Schnee wiederzuerkennen glaubte. Ich ging zur Vordertür und klopfte.
    Nach scheinbar ewiger Warterei öffnete mir ein Mann, den ich nicht kannte. Sofort glaubte ich, dass es wohl doch das falsche Haus sein musste.
    »Edie?«
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