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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Autoren: Barb J. C. Hendee
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wogte dort ein wenig, driftete in die leeren Stellen und wurde von der Präsenz eines Edlen Toten aufgenommen.
    Wynn wusste nicht, wie Wasser anstelle von Geist ausgesehen hätte, und an diesem Abend würde sie es ganz offensichtlich nicht erfahren. Dann fiel ihr etwas ein. Was mochte geschehen, wenn sie die Sicht des Geistes beschwor, so wie sie es schon einige Male getan hatte, und sie dann auf etwas anderes übertrug?
    Wynn schloss erneut die Augen.
    In einem kleinen Wirtshaus in den Kriegsländern hatte sie in ihrem Zimmer gesessen, begleitet von Chap. Damals, als das seltsame Etwas in ihr noch ein großes Rätsel gewesen war. Sie erinnerte sich an den Majay-hì und glaubte, sein Fell zu fühlen, ihre Finger darin … Sie hob die Lider.
    Übelkeit erfasste Wynn.
    Das Zimmer verdunkelte sich hinter grauweißem, von blauen Tönen durchzogenen Dunst.
    Alles bekam doppelte Konturen, auch die Steinwände. Neue Umrisse schienen mit den alten zu wetteifern. Wynn hatte sich an Schwindel und Übelkeit gewöhnt, aber beides blieb unangenehm, so vertraut es auch sein mochte. Zum Glück hatte sie noch nicht gegessen. Ihr Blick ging zum Nachtschränkchen.
    Der Dunst verdichtete sich in den Trauben, durchzog das Holz des Nachtschränkchens und die Wolldecke auf dem Bett. In den steinernen Wänden und dem Becher wurde er so dünn, dass er fast zu verschwinden schien. Als Wynn auf ihre Hände hinabsah, zeigte sich das Geistige besonders stark in ihrem lebenden Fleisch.
    Das Element des Geistes war Teil ihres Fluchs. Wenn sie mehr als nur eine Belastung darin sehen wollte, so musste sie lernen, es zu nutzen.
    Wynn sah zum Becher und flüsterte: »Gib mir … Wasser.«
    Nichts geschah.
    Dann flackerte etwas. Oder hatte sie sich das nur eingebildet?
    Und die farblichen Veränderungen … geschahen sie tatsächlich? Der blauweiße Dunst in den Trauben … verwandelte er sich für einen Moment in ein bläuliches Grün?
    Der Dunst wogte und wallte, und Wynns Schwindelgefühl wurde stärker.
    Blauweiße Schwaden verwandelten sich in gelbweiße. Es war eine seltsame Farbe, die Wynn auf diese Weise nie zuvor gesehen hatte, und es wurde schnell ein dunkles, bernsteinfarbenes Rot daraus.
    Wynn schnappte nach Luft. »O nein … nicht schon wieder!«
    Schwärze überzog den Becher, denn das Wasser darin kühlte ihn. Mattes Umbrabraun strich über die Bettdecke und hob dort die Reste von Körperwärme hervor, wo Wynn eben gekniet hatte.
    Nur einmal hatte Wynn einen flüchtigen Blick auf das Element Feuer geworfen.
    Sie geriet in Panik, zuckte zurück und drehte sich zu schnell. Bevor sie die Augen schließen konnte, fiel ihr Blick auf das Nachtschränkchen – und das Glühen des Kaltlampen-Kristalls.
    Schmerz stach durch Schwindel und Übelkeit, bohrte sich durch die Augen in den Schädel.
    Licht war eine Manifestation des Feuers.
    Wynn hob beide Hände zum schmerzenden Kopf. Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor. Sie fühlte sich, als hätte sie zu lange in die Sonne gesehen – Farben wirbelten durcheinander, obwohl sie die Augen geschlossen hatte. Die Übelkeit nahm zu und wies sie darauf hin, dass die mantische Sicht noch immer bei ihr war, auch wenn sie die Augen geschlossen hielt.
    Jemand klopfte an die Tür.
    Wynn wimmerte leise. »Oh, bei den verdammten toten Göttern! Nicht jetzt.«
    Sie bewegte sich und wäre fast gefallen. Die Kopfschmerzen waren so stark, dass es ihr schwerfiel, einen klaren Gedanken zu fassen. Hinter der Tür erklang ein Bariton.
    »Bist du auf, Wynn?«
    »Oh nein«, hauchte sie.
    Die einzige Person, die von ihrem Übel wusste, stand dort draußen. Und jener Mann war der Letzte, der sie in diesem Zustand sehen sollte. Ihm wäre sofort klar geworden, was sie angestellt hatte.
    »Ich habe dich gehört, Wynn«, ertönte die Stimme erneut. Sie hatte einen sonderbaren Akzent und war voller Ungeduld. »Genug Einsamkeit. Mach auf!«
    Wynn hielt sich mit einer Hand die Augen zu und kroch auf den Knien durchs Zimmer. Ihr graues Gewand geriet unter ein Knie, und als sie es zu lösen versuchte, verlor sie das Gleichgewicht und landete auf den Ellenbogen.
    In den Fernländern hatte sie praktisch alles getragen, von Kniehosen und gebrauchten Hemden bis hin zu Elfenhosen und Umhängen. An dieses weite Gewand musste sie sich erst noch gewöhnen. Blindlings streckte sie die Hand aus, hörte das Klacken der Klinke und das Knarren der eisernen Angeln. Etwas stieß gegen ihre Schulter – die Tür natürlich –
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