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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
Autoren: Barb J. C. Hendee
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, und mit einem Ächzen sank sie zur Seite.
    Schritte näherten sich, und kurze Stille folgte. Dann hörte Wynn ein verärgertes Seufzen. Jemand ergriff sie an den Schultern, zog sie durch den Raum und setzte sie aufs Bett.
    »Du eigensinnige kleine Närrin«, brummte die Stimme. »Ich habe dir doch gesagt, dass du dies nie tun sollst, wenn ich nicht dabei bin.«
    Wynn hatte es satt, eigensinnig genannt zu werden. Bevor sie eine scharfe Antwort geben konnte, lösten dünne Finger die Hand von ihren Augen und strichen über ihr Gesicht. Mit ihnen kam der Geruch von Pergamentstaub, Olivenöl und unbekannten Gewürzen. Ein leiser Singsang drang an ihre Augen und endete mit einem weiteren, müde klingenden Seufzen.
    »Öffne die Augen.«
    Wynn hatte noch immer Kopfschmerzen und die Augen brannten nach wie vor, aber sie hob vorsichtig das linke Lid.
    Bunte Kleckse tanzten in ihrem Blickfeld. Zwischen ihnen sah sie ein mitternachtsblaues Gewand und braune Hände. Wynn öffnete auch das andere Auge und begegnete dem strengen Blick von Domin Ghassan il’Sänke.
    Für einen Sumaner war er groß, und so dicht vor ihr stehend schien er noch größer zu sein. Einige Strähnen seines glänzenden schokoladenbraunen Haars ragten, von einem Hauch Silber durchsetzt, unter dem Rand der Kapuze hervor. Die Brauen waren dicht und buschig, die Nase zu einem Bogen gewölbt, die Augen dunkler als die Haut.
    Lange vor Wynns Geburt war dieser Mann Meister der Weisengilde geworden, doch sein wahres Alter blieb ihr ein Rätsel. In seinen Augenwinkeln zeigten sich nur die Andeutungen von Falten. Die Wangen waren rau, als wären sie oft dem wehenden Sand der großen Wüste ausgesetzt gewesen, die die nördlichen Numanischen Länder vom großen Sumanischen Reich im Süden trennte. Domin Ghassan il’Sänke trug nicht das helle Grau von Wynns Orden der Katalogisierer, denn er gehörte zum Orden der Metaologie.
    Es war der kleinste der Orden, und vielleicht der geheimnisvollste. Seine Mitglieder befassten sich mit der Sphäre des Existierenden und fertigten Aufzeichnungen an, die Metaphysik, Kosmologie, Kultur, Religion, Mythen und sogar Magie betrafen.
    Il’Sänkes Präsenz weckte Unbehagen bei den meisten jungen Weisen, selbst bei jenen, die seine Seminare besuchten. Nicht so bei Wynn – zumindest nicht sehr oft. Der Domin war auf Besuch in der Königsstadt und niemand kannte ihn gut, denn sein Zweig der Gilde befand sich einen halben Kontinent weiter im Süden in Samau’a Gaulb, der Hauptstadt des Sumanischen Reichs und der von il’Dha’ab Najuum, eines seiner Länder. Il’Sänke war ein Thaumaturg, der sich mit arkanen Zaubern und Ritualen befasste, und er genoss hohes Ansehen.
    Er presste die Lippen zusammen und wirkte alles andere als erfreut.
    Trotz der Kopfschmerzen regte sich Kummer in Wynn. Dann fiel ihr Blick auf das kleine Bündel aus Musselin, das neben ihr auf dem Bett lag.
    »Ist er endlich fertig?«, fragte sie und vergaß, den Domin zu grüßen.
    Sie streckte die Hand nach dem Bündel aus, aber il’Sänke ergriff es zuerst.
    »Premin Skyion wird einen Tadel aussprechen, wenn sie die Liste der Kosten sieht, oder zumindest jene, die auf der Liste stehen«, sagte der Domin mit seinem glatten Akzent. »Und dann wäre da noch Premin Hawes.«
    Wynn scherte sich nicht darum, welche Meinungen die Leiterin ihres Ordens oder das Oberhaupt der Metaologie in dieser Angelegenheit vertraten. Unruhig rutschte sie hin und her, bis il’Sänke das Bündel schließlich öffnete. Daraufhin schnappte sie erneut nach Luft.
    Auf dem Tuch ruhte ein sechsseitiger Kristall, so rein und klar wie geschliffenes Glas. Er war zwei Finger stark und länger als Wynns Hand.
    Vorsichtig nahm sie den Kristall und rieb ihn wie den Kristall einer kalten Lampe.
    Doch nichts geschah.
    »Hab Geduld«, sagte il’Sänke. »Selbst im fertigen Zustand genügt keine Reibungshitze, um den ›Sonnenkristall‹ zu wecken.«
    Wynn erstarrte bei diesen Worten.
    Es spielte keine Rolle, ob il’Sänke sie für eine Närrin hielt, oder auch, dass die meisten Weisen hier in der Königsstadt einen rätselhaften Außenseiter in ihm sahen. Er hatte sich ihre Geschichten von den Fernländern angehört, ohne darüber zu urteilen – die gleichen Geschichten, die Domin Hochturm und andere als Unsinn abgetan hatten. Inzwischen hielten viele der Weisen auch Wynn für eine Außenseiterin. Was sie sehr seltsam fand, denn immerhin war sie in diesem Zweig der Gilde aufgewachsen.
    In den
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