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Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)

Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)

Titel: Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Autoren: Barb Hendee , J. C. Hendee
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eine längere Version der Shirvêsh-Weste. Das Mosaikbild war so beschaffen, dass der dargestellte Zwerg Chane entgegenzutreten schien, von einer offenen Straße, die von einer dunstigen, violetten Bergkette im Hintergrund herabführte.
    Chane hob den Blick und ging schneller, um zu Wynn und Klöpfel aufzuschließen.
    Unterwegs begegneten sie anderen Zwergen in orangerotem Ornat, sowohl Männer als auch Frauen. Sie nickten, winkten und unterhielten sich in ihrer Sprache. Manche gähnten, als wären sie gerade aufgestanden. Sie gingen in unterschiedliche Richtungen, durch kleine Tore oder breite Türen in den Wänden des Hauptflurs.
    In Calm Seatt – einer Stadt, die ihren Namen zu Ehren der Zwerge trug, deren harter Arbeit sie ihre Schlösser und wichtigsten Bauwerke verdankte – war Chane gelegentlich Zwergen begegnet, hatte sich aber noch immer nicht an ihren Anblick gewöhnt. Die Überlieferungen seiner Heimat schilderten sie als kleine Geschöpfe der Erde, die nur an fernen, verborgenen Orten lebten. In Wirklichkeit … Nun, die Wirklichkeit sah oft ganz anders aus.
    Zwar waren sie kleiner als Menschen, aber die meisten Zwerge konnten Wynn in die Augen schauen, ohne dabei aufsehen zu müssen. Was ihnen an Größe fehlte, machten sie in der Breite wett. Chane hatte in Calm Seatt einmal beobachtet, wie ein Zwerg seitwärts durch eine Tür gegangen war, und selbst dabei hatte er es ziemlich eng gehabt.
    Er folgte Wynn und Klöpfel bis zu einem breiten Torbogen, der in einen höhlenartigen runden Raum führte. Dort blieb die junge Weise stehen und schaute zu ihm zurück. Schatten hingegen lief noch einige Schritte und beschnupperte die achteckigen Marmorkacheln.
    »Dies ist der Tempel von Bedzâ’kenge, ›Vater-Zunge‹«, erklärte Wynn. »Einer der Bäynæ.«
    Chane verharrte sofort und wagte es nicht, sich dem Tor weiter zu nähern. Bestimmt gab es einen Grund dafür, warum es ihm möglich gewesen war, über die Schwelle des Tempels zu treten.
    Durch das Tor sah er die gewölbte gegenüberliegende Wand des Raums und die Schriftzeichen in ihr, wie jene in der Tafel im Marmor der Eingangstür. Chane vermutete, dass es sich um Symbole der Zwergensprache handelte. Sie wirkten streng und waren zu vertikalen Kolonnen angeordnet.
    Auf der Straße nach Seatt hatte ihm Wynn von den mündlichen Überlieferungen der Zwerge erzählt. Das wenige, das sie schrieben, war »in Stein gemeißelt« oder manchmal in Metall geritzt, und auch nur dann, wenn es der Inhalt der Worte verdiente, auf diese Weise festgehalten zu werden. Kontakte mit der menschlichen Kultur hatten dazu geführt, dass auch Papier, Pergament und dergleichen Verwendung fanden, aber die alten Traditionen des Mündlichen blieben dominant.
    Chane bemerkte sechs gravierte Symbole über dem Eingang des höhlenartigen Raums.
    Jedes Zeichen war achteckig und bestand aus zahlreichen Linien, die ein komplexes Muster bildeten. Sie ähnelten den Symbolen in der Wand auf der anderen Seite des Raums.
    » Chuoynaksâg Víônag Skíal … Skíalâg Víônag Chuoynaks«, sagte Wynn.
    Chane sah sie lächeln.
    »›Erinnere dich daran, was des Erzählens wert ist; erzähle, was des Erinnerns wert ist‹«, fügte sie hinzu und wandte sich an Klöpfel. »Richtig?«
    Der alte Zwerg schürzte die Lippen und versuchte, nicht zu lachen. Aber ein leises Glucksen konnte er nicht zurückhalten. »Du bist nahe dran. Aber in meiner Sprache klingt es besser.«
    Wynn verdrehte die Augen und winkte Chane nach vorn. Widerstrebend näherte er sich und blickte an ihr vorbei, dorthin, wo Schatten um etwas herumlief, das sofort ins Auge sprang, wenn man in den Raum sah: eine riesige steinerne Statue, die auf einer Plattform stand und mindestens zwei Stockwerke hoch aufragte.
    Sie stellte einen abgeklärt wirkenden Zwerg mit langem Bart und wogendem Haar dar. Er schien in die Ferne zu blicken, und seine Lippen waren geteilt, als wollte er etwas Wichtiges verkünden. In der einen Hand hielt er einen langen Stab, der offenbar aus massivem Eisen bestand. Die andere war ausgestreckt, mit der Innenfläche nach oben, wie um etwas darzubieten. Aber die Hand war leer.
    Der Mosaikboden im Eingangsbereich des Tempels zeigte die gleiche Gestalt.
    Erneut verkrampfte sich etwas tief in Chane. Vielleicht schickte er sich jetzt an, heiligen Boden zu betreten.
    Wynn und der Shirvêsh hoben gleichzeitig die Hände, die Innenflächen aneinandergedrückt. Ihre Fingerspitzen berührten kurz Stirn und Lippen, und
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