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Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)

Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)

Titel: Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Autoren: Barb Hendee , J. C. Hendee
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den weiter unten gelegenen Zwischenstationen.
    Wynn sah sich in der kleinen steinernen Stadt am steilen Berghang um.
    Bei ihrer letzten Reise hierher war sie sehr jung gewesen. Sie hatte gerade erst ihre Lehre abgeschlossen und sich sehr darüber gefreut, von Domin Tilswith als Assistentin ausgewählt worden zu sein. Sie erinnerte sich daran, wie sie versucht hatte, mit dem alten Meister Schritt zu halten und sich nicht an dem fremden Ort mit all seinen Bewohnern zu verirren.
    Sie trat am Kurbelhaus vorbei auf die schmale steinerne Straße, und vor ihr strebte alles nach oben .
    Die Hauptstraße schlängelte sich am Hang empor, zwischen Gebäuden aus Stein und ein wenig Holz. Nur kurze Wege führten direkt und sehr steil nach oben, die meisten von ihnen bestanden aus vielen Treppenstufen und zahlreichen Absätzen. Alles wirkte sehr massig, wie auch die Zwerge selbst. Verblassender Mondschein fiel auf Dächer aus Schieferplatten, Steinblöcken, Schindeln und Eichenbrettern. Alles andere war aus Granit gemeißelt und fügte sich so gut zusammen, dass nur wenig Mörtel nötig war.
    Etwas stieß gegen Wynns Bein. Schatten jaulte und drängte sich noch etwas näher. Die junge, ungestüme Schatten mochte es nicht, viele Leute um sich herum zu haben. Ihre blauen, von gelben Flecken durchsetzten Augen wurden groß, als sie sich umsah. Wynn streichelte sie zwischen den Ohren.
    »Beängstigend«, krächzte Chane hinter ihr.
    Wynn war inzwischen an seine veränderte Stimme gewöhnt, doch sie erschrak trotzdem. Im Halbdunkel klang sie … unheimlich.
    »Es kann zunächst ein wenig verwirrend sein«, erwiderte sie.
    Das stimmte. Wohnhäuser, Tavernen, Schmieden, Gerbereien und Läden – alles bildete ein Labyrinth, das sich rings um sie und über ihnen erstreckte.
    Wynn rückte ihren Rucksack zurecht. Chane trug gleich zwei und schien ihr Gewicht nicht einmal zu bemerken. Die junge Weise schloss die Hand fester um ihren langen Stab, dessen oberes Ende eine lederne Kappe trug, und ging über die Hauptstraße den Hang hinauf. Nach einigen Schritten schaute sie zurück und blieb stehen, als sie ein großes offenes Tor neben dem Kurbelhaus bemerkte.
    Die ganze Aufzugstation hätte hindurchgepasst, und es wäre immer noch Platz übrig geblieben. Das orangefarbene Licht der bei den Zwergen gebräuchlichen erwärmten Kristalle glomm über den Köpfen der vielen Leute, die das Tor aus beiden Richtungen durchschritten. Wynn wandte den Blick ab und richtete ihn besorgt nach Osten.
    Die Morgenröte war dort noch etwas weiter über den Horizont gekrochen. Sie mussten sich beeilen.
    »Lasst uns den Tempel finden«, sagte sie.
    Wer einen fremden Ort besuchte, brauchte eine Unterkunft, aber Chane benötigte sie besonders dringend. Er durfte nicht mehr draußen sein, wenn die Sonne aufging.
    »Finden?«, wiederholte er. »Kennst du den Weg?«
    »Natürlich. Es ist nur … eine Weile her.«
    Wynn setzte sich wieder in Bewegung und ging mit längeren Schritten. Trotz der Worte, die sie an Chane gerichtet hatte, war sie keineswegs sicher, den Weg zu kennen. Der Tempel war für sie eine bessere Unterkunft als irgendeine Herberge mit anderen Reisenden. Und Besucher von der Weisengilde waren dort bestimmt willkommen.
    Zwerge praktizierten eine besondere Form der Ahnenverehrung. Ihre Hochachtung galt jenen unter ihnen, die zu Lebzeiten Ansehen errangen, was sich mit den menschlichen Vorstellungen von Helden oder Heiligen vergleichen ließ. Wer große Leistungen für sein Volk vollbrachte, konnte eines Tages Thänæ werden, ein Geehrter. Solche Personen ähnelten den menschlichen Rittern oder Adligen, dies hatte aber nichts mit Herrschaft oder Autorität zu tun. Wenn ein Thänæ im Lauf von Jahrzehnten oder Jahrhunderten durch die Überlieferung seiner Taten Berühmtheit erlangt hatte, so stieg er nach seinem Tod vielleicht zum Bäynæ auf, einem Ewigen, und diese Ewigen wurden gewissermaßen stellvertretend für alle Ahnen verehrt.
    Im Tempel eines solchen Ewigen wollte Wynn unterkommen.
    Bedzâ’kenge, Vater-Zunge, wachte über Weisheit, Erbe und Überlieferung durch Geschichten, Gesang und Dichtung. Insbesondere Redner und Historiker fühlten sich ihm verpflichtet. Denn so weit die Erinnerung zurückreichte: Bei den Zwergen hatte es immer nur mündliche Überlieferung gegeben; die schriftliche Weitergabe blieb den Menschen vorbehalten.
    Als Wynn weitereilte, bemerkte sie vage Schatten auf den granitenen Steinen der Straße. Ein weiterer Blick nach
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