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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
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schlicht um.
    Zopp.
    Eine künstliche Frau schrie ihre überschminkte Liebe einem Mann in dessen hohe Frisur, wo sie kleben blieb.
    Zippi-Zappinchen.
    Ein Geräusch aus der Wirklichkeit störte.
    Rosalies Blick rutschte nach rechts, vom Schirm weg, zur Holztür mit weißer Klappjalousie. Dahinter tauchte ein schwarzes Gesicht auf, ein Junge. Rosalie erschrak. Der aus dem Nichts Erschienene trug ein knalloranges T-Shirt und khakifarbene Hosen. Seine Schuhe sah sie nicht, weil die Tür sie verdeckte. Er schaute Rosalie an, sie ihn auch, lange.
    Dann merkte sie, daß da noch zwei weitere Typen in ähnlich grell sportiven Klamotten standen und laut diskutierten, auf dem grünen Rollteppich, wo ein extrem unterwürfiger Hotelangestellter heute morgen den prallen Frühstückskorb abgestellt hatte.
    Rosalie lächelte, mehr aus Vorsicht als aus Freundlichkeit: Ich bin jedenfalls nicht gefährlich, okay?
    Es funktionierte. Der Junge verlor das Interesse an ihr und ging nach links zum Geländer. Die Kumpels folgten. Sie stritten sich: »No ... y’ain’t gonna do that.«
    »Try me.«
    »He just be messin’ wi’ you.«
    Lachen.
    Dann schwangen sich die Leute, einer nach dem andern, übers Holzgeländer. Rosalie hörte Poltern, Rascheln: Sind sie jetzt auf dem Parkplatz gelandet? Ihr wäre das zu tief gewesen zum Runterspringen. Die drei waren sicher älter als sie – siebzehn, achtzehn Jahre? – und natürlich athletisch rausgefressen, aber trotzdem: zwei Meter, zweieinhalb, drei?
    Mit plötzlich glühendem Interesse starrte Rosalie aufmerksam auf den Schirm, wo eine Sitcom über High-School-Kids voll strohdummer Liebesprobleme anfing.
    Ihr Verstand verbiß sich in den Gedanken, daß sie nicht wußte, ob das da gerade harmlos gewesen war oder nicht doch etwas Gefährliches. Sie wußte nicht, woran sie war, weil sie sich in diesem Land nicht auskannte. In Deutschland hätte sie alles verstanden, das wurde ihr jetzt mit einer Art Heimwehstich in der Seele bewußt. Wieso ließ ihr blöder Vater sie überhaupt so lange hier allein? Was sollte das eigentlich für ein wichtiger Geheimtermin sein, war der wirklich nötig?
    Als eine blonde Polizistin in dunkelblauer Uniform und mit einem schwarzen metallischen Stab (Lampe, Knüppel?) in der Hand vor der Tür erschien und klopfte, zuckte Rosalie zusammen. War ja klar, mein schlimmster Alptraum, jetzt werde ich komplett erschossen.
    »Is this about the boys?« fragte sie, als sie der Beamtin die Tür öffnete, und wartete die Antwort gar nicht ab, sondern haspelte gleich hinterher: »I have seen the boys, there were three black boys here ...«, das englische Wort für »vorhin« fiel ihr nicht ein, sie spürte ihr Herz im Hals klopfen.
    Die Polizistin nickte und lächelte: »You jus’ keep yer calm there, young lady.«
    Etwas an der Frau fiel Rosalie störend auf.
    Sie brauchte eine Weile, um zu verstehen, daß es das Gesicht war: verwaschen, unscharf – die Nase schien, abgesehen von den beiden Löchern, bloß aufgemalt, als hätte es dem Schöpfer gefallen, diese Frau nur als Skizze auszuführen. Wozu konkrete Züge, »blond« reicht ja auch. Umden Hals der Frau hing eine Plastikplakette mit kleinem Fotofenster, in dem man das Gesicht anschauen konnte, wie es eigentlich sein sollte.
    Rosalie wußte, daß es in Amerika bereits recht viele von diesen neuartigen Menschen gab.

    In Deutschland waren ihr erst wenige aufgefallen – »tja nun, billige Leute«, hatte ihr Vater dazu gesagt, als Rosalie überm Atlantik auf eine Stewardeß gedeutet hatte, die ihr unheimlich gewesen war. »Davon wird es jetzt immer mehr geben. Andere können sich die Firmen bald gar nicht mehr leisten. Das ist die Wirtschaftslage, weißt du, Mäuschen.«
    Über die Schulter der Beamtin, der es nichts auszumachen schien, so angestarrt zu werden, sah Rosalie den Parkplatzwächter der Ferienhausanlage wild gestikulieren. Bei ihm stand, zwischen zwei Polizeiautos, ein dicker Mann in kurzen Hosen mit Walroßschnauzbart. Rosalie zählte rings fünf weitere Polizisten. Einer hielt einen Hund an der Leine, der sich dauernd nach vorne wegduckte, als wollte er springen, jemanden anfallen.
    Die Polizistin erklärte Rosalie, die ihre Worte mehr der ungefähren als der konkreten Bedeutung nach verstand, daß die Jungs auf das Dach einer benachbarten Wohnanlage gesprungen seien, um dort einzubrechen und Fernseher, Blu-ray-player und ähnliches zu stehlen. Das eiserne Tor zum Innenhof dieser Anlage war aber verschlossen,
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