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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
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so mußten die Spitzbuben wieder zurück aufs Dach klettern. Zu dieser Erläuterung passend fing jetzt einer der Cops auf dem Parkplatz an, die Jugendlichen per Megaphon aufzufordern, gefälligst sofort aufzugeben und herunterzuklettern.
    Die Polizistin fragte Rosalie: »Where do you come from, young lady?«
    »Germany.«
    Die Beamtin nickte freundlich. »Isch kenne bissken Deutsch. My dad, he was in the army, nearFrankfurt. Du ... stay at your room, alright? Kauf disch Eiskrem mit telephone!«
    Rosalie nickte dankbar.
    Eis mit Telefon, schmeckt überlecker.
    Sie lächelte nervös und schloß wie angewiesen die Tür, verriegelte sie auch, was ihr, da draußen immerhin eine Gesetzeshüterin stand, eigentlich übertrieben vorkam. Dann bestellte sie sich radebrechend, aber folgsam Eis beim Hotelmanagement.
    Als das Zeug kam, ging die Polizistin gerade. Die Jugendlichen wurden unten abgeführt.
    Brav gab Rosalie dem Mädchen, das die Schüssel mit dem Eis brachte, drei Dollar Trinkgeld und bemerkte dabei flüchtig, daß der angegammelte Schein von vorhin jetzt sogar noch ein bißchen labbriger, blasser, gelblicher wirkte, als wäre er unwirklich rasch weiter ausgeblichen.
    Dann hängte sie sich sofort ans Telefon und rief Hendrik an. Es war jetzt zwei Uhr nachmittags Ortszeit hier, also acht Uhr abends in Deutschland, da durfte man am Samstag langsam wach sein. »Röschen!« zog er sie, als er verstanden hatte, wer da redete, sofort mit dem Spitznamen auf, den sie haßte. Immer, wenn er das tat, schwankte sie zwischen zwei Möglichkeiten, sich zu erklären, was er damit meinte: Sollte sie das beleidigen oder nur eine künstliche Distanz betonen, damit man ihm nicht anmerkte, daß er sie genauso gern mochte wie sie ihn?
    »Was geht in Ameeeeerika?«
    »Du, ich hab’ überhaupt keinen Plan mehr. Hier ist ein Überfall auf dem Balkon oder so!«
    »Wo? Was ist da?«
    »Hier wollten so paar Teenies einbrechen. Jetzt macht die Armee da rum und das FBI und die imperialen Sturmtruppen, und gleich explodiert bestimmt alles! Einer hat mich gesehen! Wenn die Jungs jetzt in den Knast kommen, dann denken die, ich hab sie verpetzt, dann schicken die das Mordkommando mit den großen Brüdern, dann werde ich abgemurkst!«

    »Was? Was laberst du denn für Holz? Röschen? Guckst du fern auf Drogen?«
    Also erzählte sie ihm, was ihr begegnet war, so ausführlich, daß sie, als ihr Vater endlich von seinem Verschwörertreffen zurückkehrte, nicht nur vom Eis, das sie während des Telefonats in sich hineingestopft hatte, so pappsatt war, daß man die Idee »Abendessen« »glatt vergessen« (Rosalie) konnte, sondern auch keine Lust mehr verspürte, die Staatsaffäre anders als mit allergröbsten Stichworten ein zweites Mal zu erzählen.
    Einmal immerhin hatte genügt, um Hendrik zu inspirieren: »Siehste, Amateure. Wenn ich jemals was Kriminelles mache, dann jedenfalls nur mit Profis. Nicht mit so Loserkumpels. Einbruch, wie blöd! Wenn die wenigstens jemanden entführen würden – die Tochter vom reichen Herrn Vollfenster zum Beispiel ...«
    »Ja genau, sauwitzig, echt! So reich ist mein Vater gar nicht, du Dummarsch. Wenn schon wen, dann sollten sie deine notgeile Freundin Clea entführen!«
    »Was denn, Freundin? Mein Herz gehört nur dir, Röschen!«
    »Ja, lall doch.« Sie war geschmeichelt. Er hatte fast gewonnen und machte nichts daraus; wie immer.

4.
Beim Chef
     
    Der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hing vollständig bekleidet, Kopf nach unten, in seinem Büro, die Fußgelenke mit eisernen Reifen an einer Teppichstange befestigt. Vor einiger Zeit war er noch eine Frau gewesen, das mußte jetzt abgearbeitet werden. Manchmal machte er »Pah!« und blies verbrauchte Luft aus dem Gesicht.
    Das puffte in regelmäßigen Abständen, beim Reden wie beim Schweigen. Hin und wieder geriet ihm die Krawatte vor die Augen. Er trug dies mit Würde.

    Der Kanzler war der Ansicht, daß ihm das dicke Blut, das auf diese Weise aus den Füßen in den Kopf runterfiel, beim Denken half. Niemand widersprach.
    In bis kurz vorm Platzen aufgepumpten rabenschwarzen Lederstühlen saßen beim Kanzler sein Wirtschaftsminister und der Geist des Sozialwissenschaftlers Joseph Schumpeter.
    »Geist«, das Wort umschreibt hier etwas, das Fachleute eine holoektoplasmatische Vollsimulation würden genannt haben. Diese spezielle Version – es gab diverse andere, über den Planeten verstreut – eines Schattens des Autors von »Theorie der wirtschaftlichen
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