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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
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Melden sich bei uns. Und Verwaltungsstellen, ach Gott ... Da kriegt man massenhaft Bewerbungen von Top-Juristen, die früher alle in die Anwaltskanzleien gegangen sind oder in die Wirtschaft. Die suchen Unterschlupf beim Staat. Es sieht übel aus, das kann ich Ihnen sagen.«
    Die Damen und Herren, die diese finstere Debatte führten, waren nicht irgendwelche kopflosen Meinungszwerge. Es handelte sich um Leute mit Licht im Hirn, um literarische Begabungen mit ansteckenden rhetorischen Leidenschaften, um anmutige Geschöpfe, die etwa ein Schillergymnasium besucht, nach dem juristischen Staatsexamen ihr Herz für den Journalismus entdeckt, nach Diplomprüfungen als Soziologen ihre erste Buchkritik geschrieben, Werkausgaben von unsterblichen Kriminalschriftstellerinnen kommentiert, eine Verlagskaufmannsausbildung abgeschlossen, über Dichte- und Temperaturverteilung in der Hochatmosphäre der Erde promoviert, in Prag die Filmschule kennengelernt, eine Tätigkeit im NATO-Hauptquartier hinter sich gebracht, eine vielbeachtete Arbeit über Alban Berg verfaßt oder in Heidelberg das Graecum absolviert hatten. Es waren die Besten.
    Sie wußten, wovon sie schrieben und redeten.
    Was nun anstand, in dieser neuen, ernsten Lage, wollten sie dringend herausfinden.
    »Es ist alles erst der Anfang«, faßte ein bärtiger Mann mit gemütlichem Gesichtsausdruck, der für die Kultur zuständige Herausgeber Bernd Vollfenster, der noch am nämlichen Tag zu einer wichtigen Amerikareise aufbrechen sollte, mit morbider Verve zusammen. Der Mensch, der sichüber die Delphine beschwert hatte, konnte einen Zwischenruf nicht unterdrücken: »Der Anfang? Nein! Das ist das Ende!«
    »Eben«, stimmte Vollfenster zu, »genau das ist die Situation: Dieses Ende ist erst der Anfang!«

3.
In Amerika
     
    »Doof!« schimpfte Rosalie.
    Hätte ihr Vater ihr tatsächlich ein Kuscheltier geschenkt, als ihm das auf dem Frankfurter Flughafen spontan eingefallen war – »Ich mag keine Tiere, weder echte noch solche!« hatte sie geschimpft und damit den Einfall vernichtet –, dann hätte sie das Viech jetzt wenigstens schlagen oder würgen können.
    Und hätte er ihr in der Flughafenbuchhandlung ein Buch gekauft – »Diesen Harry Potter, willst du das nicht doch mal ausprobieren?« – »Ich mag keine Bücher, ich will Zeitschriften!« hatte sie genörgelt und damit auch diese zweite Idee zerstört –, dann hätte sie es jetzt immerhin zerrupfen oder an die Wand werfen können.
    »Doof! Doof und ... und doof!«
    Drei Wochen Amerika, inklusive Wüste, Las Vegas, Los Angeles und New York: eigentlich prima. Aber daß das alles mit einem Geschäftstermin in diesem heißen, müden, eidechsenstarren Südstaatennest losgehen mußte, offenbar einem streng geheimen Treffen, zu dem sie nicht mitdurfte, weil es dabei um das Schicksal Deutschlands ging und andere dicke Dinger, das stank nach faulen Eiern.
    »Unser Hotel wirst du mögen. Ist nicht so ein Betonkasten, sondern ein schönes weißes Holzhaus mit Balkon. Wir haben praktisch eine eigene Wohnung. Jeder kriegt ein Zimmer, du kannst da kochen und fernsehen. Außen rum stehen viele schöne Bäume, tolle Landschaft, ein schöner Fluß, weiter Himmel ...«
    Das stimmte alles; von den schönen Bäumen hingen sogar ganz fantastische Hängemoosgardinen herunter.
    Die Ankunft gestern abend, samt Essengehen im »Reel Café«, war aufregend und toll gewesen. Dieser Mittag jetzt aber: »Doof! Vollständig und extremst doof!«
    Es gab kein Kuscheltier und auch kein Buch zum Würgen oder Schmeißen, nur Rosalie, die luftig gigantischen Kissen, das Bett, auf dem sie lag, und wie sie das alles fand: »Ehrlich richtig wahnsinnig überraschend doof!«
    Sie meinte damit, daß sie ortsfremd, fünfzehn Jahre alt und deshalb hier leider gefangen war. Wäre sie kein Mädchen gewesen, dachte sie ungezogen, hätte sie wenigstens die Waschmaschine suchen können, die es irgendwo im Gebäude sicher geben mußte, und in die Trommel pinkeln.
    »Aber da kriege ich meinen Hintern nicht rein, wenn es keine große Trommel ist«, erklärte sie dem alten, mit Rüschenhemd und Uniform aufgemotzten Knallkopf auf dem immensen Ölbild überm Bett. Dann schlug sie mit der flachen Hand das dicke, mit detailreichen Gold- und Silberfadenstickereien verzierte Kissen zu ihrer Rechten zusammen und schrie ein Weilchen unartikuliert herum.
    So böse wie diese Idee mit dem Pinkeln in die Wäschetrommel war Rosalie sonst nicht. Wer sie kannte, fand sie kein
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