Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
besuchen.
    Dort war er mit zwei Mädchen gut bekannt. Sie hießen Rosalie und Clea.
    Rosalie Vollfenster schaute zwischen langen glatten dunklen Haaren kritisch in die Welt und war furchtbar gescheit. Ihr Vater litt an keiner Armut, sondern war einer der Herausgeber der Erhabenen Zeitung. Clea Pinguin (den Nachnamen sprach man französisch aus: »Pängwäh«) brachte bei Unruhe die blonden Strähnen zum Wippen und war arg eingebildet. Ihre Mutter hatte sogar noch mehr Geld als Vater Vollfenster, weil sie als junge Frau vor lauter Schönheit von einem Glück ins andere gestolpert war.
    Rosalie Vollfenster und Clea Pinguin hatten eines gemeinsam: Sie hätten beide gern was mit Hendrik angefangen. Hendrik, der sonst alles wußte, was er wissen wollte, hatte aus gut versteckter Tapsigkeit leider keine Ahnung, was er mit den beiden Mädchen anfangen sollte. So kam es, daß er keine Entscheidung zwischen ihnen traf. Die wäre ihm, wenn er einen guten Grund dafür gewußt hätte, eigentlich leichtgefallen: Clea fand er putzig, aber fade; Rosalie hatte er heimlich sehr lieb.
    Die Heimlichkeit dieses Liebhabens war allerdings derart heimlich, daß er selbst fast gar nichts davon mitbekam. Der Groschen rollte und rollte, immer im Kreis herum, und wollte einfach nicht fallen.

    Schließlich brachte ihn Rosalie, eher nebenbei als gezielt, zumindest auf eine Idee, was man mit Clea anfangen konnte. Aus dem, was dann geschah, ergab sich etwas, das er schließlich nicht mit Clea, sondern doch noch mit Rosalie anfing: die mehr oder weniger notwendige Rettung Deutschlands.
    Davon soll hier erzählt werden.

2.
Bei den Unterrichteten
     
    Die Erhabene Zeitung erlebte einen turbulenten Tag.
    Die Konferenz aller Ressorts im fünften Stock des verglasten Schlachtschiffbaus, in dem alles redigiert wurde, was diese Zeitung brachte, stand im Zeichen zahlreicher Beschwerden und Sorgen der Beschäftigten. Die Leitenden Kräfte hatten ihre liebe Not damit, der Stimmung Herr zu werden. Unzufrieden war man vor allem mit den neuen Redaktionsboten, überzüchteten Menschenaffen und per Hirnchip-Upgrade verbesserten Delphinen in fahrbaren Tanks, die man Versuchsanstalten großer Pharmaunternehmen preiswert abgenommen hatte.
    »Die Tanks kommen bei uns nicht durch die Tür«, moserte jemand vom Sport.
    »Der neue Affe klaut Bücher. Vor allem Bilderbücher«, beschwerte sich eine Dame von der Kunst. »Wir hätten die alten Boten nie ausmustern dürfen. Sie waren langsam, mißmutig und böswillig, aber es waren doch, wie sagt man? Menschen!« faßte ein Herr vom Regionalen zusammen.
    »Denken Sie, das sind Probleme?« blaffte der für die Wirtschaft zuständige Herausgeber, der am Kopfende der viereckigen Sitzanordnung saß. »Was glauben Sie, was in Deutschland los ist?« ergänzte er seinen Ausbruch. Dann nickte er seinem dienstältesten Wirtschaftsdenker zu. Dieser räusperte sich.
    Es gab ein polterndes Geräusch an der Tür, weil einer der Affen einen der Delphintanks mit Absicht gegen die Wand gekippt hatte. Die neuen Boten wußten nämlich, worüber drinnen heute geredet wurde (es gab eine undichte Stelle im Ressort »Deutschland und die Welt«).
    Der Herausgeber für Politik warf im Aufspringen seinen Stuhl um, stieß die Türflügel auseinander, trat gegen den gekippten Tank und rief: »Herrgott! Sind wir denn im Zoo? Wir sind nicht im Zoo!«

    Als er an den langen Tisch zurückgekehrt war, räusperte sich der dienstälteste Wirtschaftsdenker erneut, bis er alle Blicke auf sich spürte. Dann erzählte er sachlich, was in Deutschland los war: Die Autoindustrie hätte »rein von den vorhandenen Produktivitätskapazitäten her« noch zwanzigmal so viele unverkäufliche Autos produzieren können, wie sie bereits ausstieß. Die großen Familienkaufhäuser schmolzen in der Sonne. Der nicht vermittelbare Arbeitsmarktnachschub roch strenger als der Butterberg. Marsraketen weigerten sich, zu starten; Sozialdemokraten saßen drin.
    »Lieber Gott, und der Nachwuchs«, mischte sich eine seiner weniger erfahrenen Kolleginnen ein, »nahörnsemirauf. Der Bunzler ...«
    »Wer?« fragte der Politikherausgeber streng. Die Dame faßte sich mit Mühe und sagte: »Verzeihung. Der ... Bundeskanzler ... selber ... selbst hat schon wieder zweihundert hochmotivierte, topqualifizierte junge Leute auf die Straße gesetzt, die ihn in Berlin über die arabische Welt, die High-Tech-Zukunft und die Trends bei der Jugend beraten haben. Wollen jetzt alle in die Medien.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher