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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition)
Autoren: Dietmar Dath
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unüberblickbar mächtige Menge von Leuten mit Sachen, die niemandem halfen. Beim kontinuierlichen Geldausgeben hatte sie überdies eher zufällig als planvoll verrückte Mengen schönen Zeugs erworben. Hilde Pinguin war alles andere als die Herrin ihrer eigenen Angelegenheiten. Im Gegensatz zu den ganz großen Verbrechern, die den Planeten zu der Hölle zugerichtet hatten, die er den meisten Menschen war, mußte sie zusehen, daß sie von ihrem vielen Glück nicht hinterrücks aufgefressen wurde.
    Mit nun schon Mitte Vierzig sah Hilde Pinguin immer noch fantastisch aus, ein Weihnachtsbaum in Tuchen aus Paris und Persien, mit einem Gebiß, das jede Discotheken-Lichtanlage überstrahlte, und einem Augenaufschlag, der blutbespritzte Folterknechte in stotternde Schulbuben verwandeln konnte. Vor lauter Klunkern fiel Hilde oft das Laufen schwer. Trotzdem bewahrte sie Haltung. Manchmal lief sie auch ohne Schmuck herum, das sah dann noch viel teurer aus.
    Frau Pinguin hatte dem Geld eine Tochter geboren.
    Die hieß, wie wir schon wissen, Clea und ging mit Rosalie Vollfenster und Hendrik Kilian zur Schule. Nach der Geburt des Mädchens, das ein Einzelkind bleiben sollte, hatte Frau Pinguin eilends abgenommen. Seither ernährte sie sich streng dem Prinzip folgend, daß der Körper grundsätzlich mehr haben will, als er gebrauchen kann, weil die Natur uns so eingerichtet hat, daß wir für magere Zeiten vorausfressen. Will man auf die Linie achten, sollte man folglich davon ausgehen, daß wir auf jeden Fall zu viel verzehrt haben, wenn wir über längere Zeit hin glauben, wir hätten genug zu essen.
    Hilde Pinguin aß zum Frühstück für gewöhnlich einen Pfirsich, zum Mittag mal etwas Pasta mit Huhn, mal einen Gemüseauflauf, oft nur eine Suppe, häufig Salat, und den Rest des Tages gab es bis zum Vollwertkost-Abendessen Reiscracker und giftige Tabletten.
    Hilde arbeitete nicht nur an sich, sondern auch hart in ihrer angestammten Branche, dem Umsatz.
    Sie raffte mehrere Häuser, drei Autos und ungezählte Anteile an Unternehmen der chemischen, pharmazeutischen und biotechnischen Industrie an sich. Den Reichtum, den dieser Besitz abwarf, hobelte Madame täglich mit vollen Händen in die Gegend. Das arge Schicksal ihrer guten Freundin Tinchen Vollfenster, geborene von Pütterwitz, war ihr in dieser Hinsicht eine stete Mahnung. Die nämlich hatte sich, nachdem ihr eigenes Einzelkind Rosalie auf die Welt gekommen war, nicht mehr um die Zerstreuung ihres Vermögens in alle Welt gekümmert, also weder das geerbte Geld ihres schwerstindustriellen Vaters noch die Beträge, die ihr Mann, Rosalies Vater, dem Familienreichtum zusetzte, hinreichend hektisch in Kunst, Unterhaltungselektronik, Sportgeräte, Kleidung, Grundbesitz und puren Scheißdreck gepumpt. Deshalb war sie zwei Wochen nach Rosalies vierzehntem Geburtstag bei einer Après-Ski-Party in Aspen, Colorado von einem Moment auf den andern an ihrem Wert erstickt und hatte der Tochter ihren Diskman vermacht.
    Daß man so sterben kann, war vermögenden Menschen seit langem bekannt.
    Ein Wissenschaftler, dessen fachlicher Ruf sich einer Arbeit über das »plötzliche Erschöpfungssterben« strebsamer japanischer Angestellter verdankte, hatte in den späten achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts herausgefunden, daß der menschliche Organismus es nicht erträgt, mehr als das Siebenundsiebzigfache dessen zu besitzen, was er bei einer geschätzten Lebenserwartung von neunundneunzig Jahren und gemessen an der äußersten gerade noch vorstellbarenVerschwendungssucht zeitlebens persönlich verbrauchen kann. Als Tinchen Vollfensters Besitz diesen letalen Grenzwert überschritten hatte, war es um sie geschehen.
    Die meisten Angehörigen der herrschenden Klasse waren vorsichtiger. In strikter Beachtung der Todesmarke machten sie ab ungefähr dem Augenblick, da sich der Verbrauchsüberbietungsindex ihrer Reichtümer dem Faktor siebzig näherte, gern Verlustgeschäfte oder fesselten ihr Guthaben an Dinge, die sich eben nicht verbrauchen ließen, etwa politische Bestechung, Wohltätigkeit, Kunst.
    Hilde Pinguin bewies dabei großes Geschick.
    Zwei Wochen nach der Rückkehr von Vater Vollfenster und Rosalie aus Amerika und einen Tag nach Beginn des neuen Schuljahrs stand Cleas Mutter also um drei Uhr nachmittags mit Professor Ewald Kilian in einer der besten Frankfurter Gegenden bei Herrn Büsner, dem Kunsthändler ihres Vertrauens, zwischen dunkelholzgetäfelten Wänden auf einem
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