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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Autoren: Luise Buechner
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Gelegenheit habe, zu zeigen, ob es eine eigensüchtige, oder nationale Politik verfolge, so hinfällig geworden, daß wir auf diese ganze Sache nicht näher eingehen. Napoleon hoffte hier eine Gelegenheit zu finden, wo er im Trüben fischen konnte, und allgemach mischten sich alle Großmächte in den Streit, der sich endlich durch einen Vertrag schlichtete, welcher Luxemburg für einen neutralen Staat erklärte, der dem Hause Oranien verblieb, während Preußen die seitherige Bundesfestung Luxemburg verließ, deren Wälle geschleift wurden.
    Jedenfalls hatte Graf Bismarck bei dieser Gelegenheit einen glänzenden Beweis seiner Friedensliebe gegeben und es blieb ihm nun eine Frist, um das Werk einer vorsichtigen Ueberbrückung der Mainlinie anzubahnen. Dies geschah vorerst durch Neubelebung des Zollvereins, der durch die gemeinschaftlichen Berathungen eines
Zollparlamentes
wieder hergestellt werden sollte und ein Solches bot nun die Gelegenheit daß zum Erstenmal die Abgeordneten des ganzen Deutschland miteinander in Berlin tagten. Was schon zuvor durch die, mit den einzelnen süddeutschen Staaten abgeschlossenen
Militärconventionen
, welche einen abermaligen Bruderkrieg zwischen Nord und Süd unmöglich machten, für die Einheit gewonnen war, dies vollendete sich nun in dauernden Werken des Friedens. Verträge über einheitliche Leitung der Eisenbahnen, des Telegraphendienstes und der Post, deren Oberleitung nun mit Beseitigung der Privilegien des Fürsten Turn und Taxis in die Hände Preußen's überging, überzeugte auch den Kurzsichtigsten gar bald, daß man auf dem besten Wege war, eine einheitliche Nation zu werden. Auch wurden gleichzeitig die Arbeiten, die eine Einheit des Maßes, des Gewichts und der Münze herbeiführen sollten, in Angriff genommen und um 1870 hoffte man damit fertig zu sein, als der große französische Krieg dieses Resultat noch um einige Jahre verzögerte.
    So schlangen und knüpften sich bald Tausende von Fäden zwischen Nord und Süd herüber und hinüber, die Antipathieen gegen Preußen traten mehr und mehr in den Hintergrund, die Sympathieen durften sich frei und ungehindert aussprechen; was Deutschland's großer Patriot, Graf Bismarck angebahnt, das wuchs und entfaltete sich zusehends, denn es war practisch, gesund und lebensfähig. Man mußte sich am Ende doch mit gerechter und warmer Anerkennung des genialen Mannes sagen: »Jetzt
haben wir
, was wir seit 1815 gewollt, was wir 1848 vergeblich angestrebt!« Waren die
Wege
zum Ziele auch Andere geworden, als man sie früher betreten, hatten die
Formen
sich anders gestaltet, als man sich vorgestellt – was lag daran, man besaß
die Sache
, man saß im Sattel, um ungehindert auf dem Wege zur Einheit weiter zu streben, bis an's Ziel. Nur Schwarzseher und Leute, die sich der leidigen Principienreitereien nicht entschlagen konnten, wollten die wirkliche Sachlage nicht anerkennen. »Das ist kein Deutschland«, sagten sie, »es ist nur ein vergrößertes Preußen, das jede Freiheit mit seiner Militärgewalt erdrückt!« Als ob ein vergrößertes Preußen und ein geeinigtes Deutschland nicht ein und dasselbe gewesen wären, als ob eine Militärmacht, die auf dem Princip der Volkswehr beruht, wenn auch deren jetzige Organisation demselben noch nicht ganz gerecht wird, sich dauernd gegen eine freiheitliche Entwicklung würde gebrauchen lassen! Aber auch für Oestreich war die Lostrennung von Deutschland ein Glück; auch dieser Staat lenkte jetzt in neue Bahnen ein und machte seinen Frieden mit Ungarn, dem 1867 alle Zugeständnisse des Jahres 48 zurückgegeben wurden.
    So wuchs unter Regen und Sonnenschein die junge Pflanze der deutschen Einheit heran, bis jener Tag kam, da ein Ruf allgemeiner Entrüstung das
ganze Deutschland
zu dem Kampf gegen den Erbfeind unter die Waffen rief. In jenem Augenblicke gab es keine Mainlinie, keinen Norden und Süden mehr, es gab nur noch eine –
deutsche Nation
! Ein einiges Brudervolk, stritt und litt sie gemeinsam, für ihr Recht und ihre Existenz, wie sie 1813 und 14 auch gethan, bis zu jener ewig denkwürdigen Stunde, da die deutschen Fürsten im Schlosse zu Versailles dem Preußenkönige, als dem neuen
Kaiser der Deutschen
huldigten, und aus »den sechs und dreißig Lappen«, der
Heldenpurpur
wurde, wie ihn einst vorahnend ein deutscher Dichter besungen.
    Den Frieden mit dem Franken aber, den dictirte jetzt der neue Reichskanzler, Fürst Bismarck, und er löste ein, was das Jahr 1815 versäumt hatte.
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